06 - Der Schattenkrieg
er Emil gerächt hat.«
»Eines kann ich Ihnen über diesen Mann sagen: Er hat Gefechtserfahrung und ist grundehrlich.« »Das bezweifle ich nicht. Was das Töten angeht… wir haben Rechtsgutachten, denen zufolge das, was Polizeischarfschützen tun, hart an Mord grenzt. Und die Grenze zwischen Polizeiarbeit und Kriegshandlung ist nicht immer so scharf, wie wir sie gerne hätten. Wo hört in diesem Fall eine legitime Aktion gegen Terroristen auf, wo fängt der Mord an? Letzten Endes hängt das von der Auffassung der entsprechenden Richter ab, von Politik also. Wissen Sie«, fuhr Shaw fort, »Bankräuber jagen war einfacher. Da wußte man wenigstens, woran man war.«
»Genau«, sagte Ryan. »Wetten, daß der ganze Schlamassel nur gestartet wurde, weil in diesem Jahr gewählt wird?«
Murrays Telefon ging. »Ja? Vielen Dank.« Er legte auf. »Cutter hat sich gerade in sein Auto gesetzt und fährt nun über den George Washington Parkway. Will jemand raten, wo sein Ziel ist?«
26
Instrumente des Staates
Inspektor O’Day dankte seinem Glücksstern - als Ire glaubte er an so etwas, daß Cutter ein solcher Idiot war. Der Mann hatte wie auch schon vorhergehende Sicherheitsberater auf eine Leibwache verzichtet und hatte nicht die geringste Ahnung, wie man sich einer Observierung entzieht. Das Subjekt fuhr auf dem George Washington Parkway nach Norden und schien der festen Überzeugung zu sein, daß das niemandem aufgefallen war. Er schlug keine Haken, machte auch keine Umwege durch Einbahnstraßen und tat nichts, was man schon aus Fernsehkrimis lernen kann oder aus Chandler-Romanen mit Philip Marlowe, die O’Day für sein Leben gern las. Selbst im Auto hörte er dramatisierte Versionen der Krimis auf Kassette. Chandlers Fälle waren schwerer zu knacken als die im wirklichen Leben, aber für O’Day war das nur der Beweis, daß Philip Marlowe einen ausgezeichneten G-Man abgegeben hätte. Der vorliegende Fall erforderte solche Talente nicht. Cutter war zwar Drei-Sterne-Admiral, aber auf dem Gebiet konspirativer Taktiken völlig unbedarft. Er wechselte noch nicht einmal die Spur und gondelte einfach in die Ausfahrt, die ihn zur CIA führen mußte, es sei denn, er wollte einer Straßenmeisterei einen Besuch abstatten, die um diese Zeit schon geschlossen war. Knifflig war nur die Aufgabe, Cutter nachher wieder auf die Spur zu kommen, denn die Sicherheitsmaßnahmen bei der CIA waren scharf. O’Day setzte seinen Beifahrer ab und ließ ihn zwischen den Bäumen am Straßenrand lauern. Er selbst forderte einen weiteren Wagen an. Er rechnete damit, daß Cutter bald wieder erschien und nach Hause fuhr.
Der Sicherheitsberater hatte die Verfolger nicht bemerkt und hielt auf einem VIP-Parkplatz. Wie üblich öffnete ihm jemand die Tür und brachte ihn zu Ritters Büro im sechsten Stock. Der Admiral nahm ohne ein freundliches Wort Platz.
»Ihre Operation ist geplatzt«, sagte er barsch zum DDO. »Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, daß ich gestern mit Felix Cortez zusammengetroffen bin. Er weiß über unsere Truppen Bescheid, über die Aufklärungsaktion an den Flugplätzen, die Bomben und den Hubschrauber, der den Nachschub für SHOWBOAT erledigt. Ich lasse den Vorhang fallen. Den Hubschrauber habe ich bereits nach Eglin zurückbeordert und dem Personal von VARIABEL empfohlen, jegliche Kommunikation einzustellen.«
»Das ist doch Wahnsinn!« brüllte Ritter. »Unsinn. Ich erteile hier die Befehle, Ritter. Ist das klar?« »Und unsere Leute?«
»Um diese Frage habe ich mich schon gekümmert. Wie, brauchen Sie nicht zu wissen. Alles wird sich beruhigen«, meinte Cutter. »Ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Es ist ein Bandenkrieg im Gang. Die Drogenlieferungen werden um die Hälfte reduziert. Und die Presse darf dann berichten, daß wir den Krieg gegen die Drogen gewinnen.«
»Und Cortez setzt sich an die Spitze des Kartells, nicht wahr? Ist Ihnen eigentlich klar, daß alles so läuft wie zuvor, wenn er sich erst einmal eingerichtet hat?«
»Ist Ihnen klar, daß er die Operation an die Öffentlichkeit bringen kann? Und was wird dann aus Ihnen und dem Richter?«
»Wir werden Ihr Schicksal teilen«, fauchte Ritter zurück. »Von wegen. Ich war bei dem entscheidenden Gespräch zugegen, und der Justizminister auch. Der Präsident hat weder Mord noch eine Invasion genehmigt.«
»Die ganze Operation war Ihre Idee, Cutter.«
»Wer sagt das? Steht meine Unterschrift auf einer einzigen Aktennotiz?« fragte der Admiral. »Wenn diese
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