06 - Der Schattenkrieg
schwerer heranzukommen war. Cortez wollte den Blicken entzogen sein, hatte es aber versäumt, an seine militärische Sicherheit zu denken. Cortez dachte wie ein Spion, dessen Geschäft die Geheimhaltung war, und nicht wie ein Frontsoldat, für den Sicherheit zahlreiche Waffen und ein freies Schußfeld bedeuteten. Clark fuhr auf der Ladefläche des Lkw umgeben vom Team OMEN mit und hatte eine grobe Skizze des Angriffsziels dabei. Wie früher, dachte Clark, wir starten eine Operation mit null Vorbereitung. Er hoffte nur, d aß diese jungen Infanteristen so gut waren wie die Männer der 3. SOG. »Noch zehn Minuten also, Captain«, schloß er. »Gut«, stimmte der Captain zu. »Da wir kaum Feindberührung hatten, sind mehr als genug Waffen und Munition verfügbar.«
»Und?« fragte Escobedo. »Letzte Nacht haben wir zehn norteamericanos getötet, und diese Nacht kommen weitere zehn dran.« »Aber die Verluste!« wandte LaTorre ein. »Wir kämpfen gegen hervorragend ausgebildete Berufssoldaten. Unsere Männer haben sie zwar vernichtet, aber sie wehrten sich tapfer und erfolgreich. Nur ein Feind überlebte«, sagte Cortez. »Nebenan liegt seine Leiche. Er starb kurz nach der Einlieferung.«
»Woher wissen Sie eigentlich, daß der Feind nicht unmittelbar in der Nähe ist?« fragte Escobedo scharf. Daß ihm selbst Gefahr drohen könnte, hatte er bis jetzt ganz vergessen.
»Ich kenne die Position jedes feindlichen Teams. Sie warten darauf, von ihrem Hubschrauber evakuiert zu werden. Sie wissen nicht, daß der Hubschrauber abgezogen wurde.«
»Wie haben Sie das fertiggebracht?« fragte LaTorre. »Ich habe meine Methoden. Sie haben mich wegen meiner Erfahrung und meiner Fähigkeiten eingestellt. Wundern Sie sich also nicht, wenn ich sie demonstriere.«
»Und was wird jetzt?«
»Unser Angriffsverband, diesmal fast zweihundert Mann stark, müßte sich nun der zweiten amerikanischen Gruppe nähern. Deren Codename lautet TEAM«, fügte Cortez hinzu. »Die nächste Frage ist natürlich, welche Elemente der Kartellspitze daraus Kapital schlagen wollen - oder eher, welche Mitglieder mit den Amerikanern zusammenarbeiten. Wie so oft bei solchen Operationen scheint eine Seite die andere auszunutzen.«
»Wirklich?« fragte Escobedo erstaunt. »Si, Jefe. Und seien Sie nicht überrascht, wenn ich Ihnen jetzt sage, daß ich die Verräter identifiziert habe.« Er schaute die beiden Männer an und lächelte schwach.
Es standen nur zwei Wachposten an der Straße. Clark saß wieder im VW-Bus, während OMEN durch den Wald auf das Angriffsziel zueilte. Vega und León hatten eine Seitenscheibe ausgebaut, die Vega nun mit der Hand im Rahmen hielt.
»Alles bereit?« fragte Clark. »Los!« erwiderte Chavez. »Dann mal zu.« Clark fuhr um die letzte Kurve, bremste ab und hielt bei den beiden Posten an. Die Männer nahmen ihre Gewehre von den Schultern und eine aggressivere Haltung ein. »Verzeihung, ich habe mich verfahren.« Auf dieses Stichwort hin ließ Vega die Scheibe los. Als sie aus dem Rahmen fiel, erhoben sich Chavez und Vega auf die Knie und zielten mit ihren MP-5 auf die Posten. Beide bekamen einen Feuerstoß in den Kopf und fielen lautlos zu Boden. Die Maschinenpistolen klangen in dem engen Fahrzeug überraschend laut.
»Gut gemacht«, lobte Clark und griff nach seinem Funkgerät. »Hier SCHLANGE. OMEN, bitte melden.«
»SCHLANGE, hier OMEN. Wir sind in Position. Wiederhole: wir sind in Position.« »Roger, halten Sie sich bereit. CAESAR, hier SCHLANGE.«
»SCHLANGE, hier CAESAR.«
»Position?«
»Wir schweben fünf Meilen von Ihnen entfernt.«
»Roger. CAESAR, halten Sie Ihre Position. Wir greifen an.« Clark schaltete die Scheinwerfer aus, fuhr hundert Meter weiter und wählte eine Stelle, an der die Einfahrt einen Bogen machte. Hier hielt er an und stellte den Bus quer.
»Geben Sie mir eine Handgranate«, sagte er, stieg aus und ließ den Zündschlüssel stecken. Erst lockerte er den Sicherungsstift, dann befestigte er die Granate mit Draht am Türgriff. Das Ganze dauerte nur eine Minute. Demjenigen, der als nächster die Tür öffnete, stand eine unangenehme Überraschung bevor. »Okay, los geht’s.«
»Trickreich, Mr. Clark«, merkte Chavez an. »Junge, ich war schon ein Ninja, ehe die Sache in Mode kam. So, und jetzt haltet ihr die Klappe und tut eure Arbeit.« Kein Lächeln mehr, keine Zeit für lockere Sprüche. Clark fühlte sich wieder jung. Für den Augenblick war er nicht mehr Mr. Clark, sondern wieder »die Schlange«, deren
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