06 - Der Schattenkrieg
zivilisiert.
Mit der Zivilisation hatte es um Punkt sechs Uhr dreißig ein Ende. Die Männer erhielten ihre Uniformen und feste Stiefel und traten im Freien an. Vier Männer hatten nebeneinander Aufstellung genommen; daß sie Offiziere waren, sah Chavez an Haltung und Ausdruck. Hinter den vieren stand ein älterer Mann, der ebenfalls wie ein Offizier wirkte, aber doch nicht ganz.
»Wo soll ich hin?« fragte Ding Chavez Vega. »Sollst bei mir bleiben. Dritte Kompanie, Captain Ramirez. Hart, aber ein feiner Kerl. Hoffentlich läufst du gern, ’mano.«
»Ich mach schon nicht schlapp«, erwiderte Chavez. Vega wandte sich grinsend um. »Hoffen wir das.« »Guten Morgen, Leute!« dröhnte die Stimme des älteren Offiziers. »Für die, die mich noch nicht kennen: Ich bin Colonel Brown. Die Neuen möchte ich in unserem kleinen Bergversteck willkommen heißen. Ihren Einheiten sind Sie bereits zugeteilt worden. Das Team ist nun komplett.« Brown war der einzige Nichtlatino, was Chavez seltsamerweise nicht überraschte. Vier andere hielten nun auf das Glied zu: Trainer, die man an den sauberen weißen T-Shirts und der Zuversicht erkannte, jeden kleinkriegen zu können.
»Hoffentlich habt ihr alle gut geschlafen«, fuhr Brown fort. »Beginnen wir den Tag mit einem kleinen bißchen Bewegung…«
»Nur zu«, murmelte Vega. »Macht nix, wenn wir vor dem Frühstück krepieren.«
»Wie lange bist du schon hier?« fragte Ding leise. »Heute ist mein zweiter Tag. Mann, hoffentlich wird das bald leichter. Die Offiziere müssen schon mindestens eine Woche hier sein nach dem Lauf brauchen die nämlich nicht zu kotzen. Und das nach drei Meilen durchs Gebirge.« »Schaff ich locker«, merkte Chavez an. »Hab ich gestern auch gesagt«, versetzte Vega. »Zum Glück hab ich das Rauchen aufgegeben.«
Sie begannen mit den üblichen zwölf Liegestützen, die Chavez leichtfielen, obwohl er ein wenig ins Schwitzen geriet. Erst beim Lauf erkannte er, wie hart die Sache werden würde. Als die Sonne aufging, bekam er eine Vorstellung vom Gelände. Das Lager schmiegte sich in eine Talsohle auf einem Areal von etwa zwanzig Hektar, das fast völlig flach war. Alles andere wirkte senkrecht, doch bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, daß die Hänge weniger als fünfundvierzig Grad steil und mit Krüppelkiefern bestanden waren. Die vier Kompanien, jeweils angeführt von einem Captain und einem Trainer, liefen in verschiedene Richtungen auf Saumpfaden los. Schon auf der ersten Meile, schätzte Chavez, überwanden sie einen Höhenunterschied von über hundertfünfzig Meter, wanden sich auf Serpentinen auf eine felsige Anhöhe zu. Das sonst beim Laufen übliche Singen ersparte der Trainer den Männern, die auch so schon ihre Mühe hatten, mit diesem Roboter in Weiß Schritt zu halten. Chavez, der seit zwei Jahren täglich mindestens drei Meilen gelaufen war, schnappte schon nach der ersten nach Luft. Auf der Anhöhe blieb der Trainer stehen, um sich davon zu überzeugen, daß niemand zurückgefallen war. Chavez, der verbissen auf der Stelle joggte, bekam Gelegenheit, die spektakuläre Aussicht zu bewundern.
Und ich habe gedacht, ich wäre fit! Verdammt noch mal, du bist fit! Die nächste Meile folgte einem Kamm nach Osten, und die Sonne blendete die Augen, die wachsam bleiben mußten, denn der Pfad war schmal. Wer von ihm abkam, riskierte einen schmerzhaften Sturz. Wie es schien, legte der Trainer ein zunehmend schärferes Tempo vor und hielt dann auf einer weiteren Anhöhe an. »Beine in Bewegung halten!« schnauzte er diejenigen an, die nicht mitgekommen waren. Es gab nur zwei Nachzügler, beides neue Leute, wie Chavez meinte, und die lagen nur zwanzig Meter zurück. Ihnen stand die Scham im Gesicht und die Entschlossenheit, so rasch wie möglich aufzuholen. »So, Männer, von hier an geht’s bergab.«
Aber das machte die Strecke nur noch gefährlicher. Durch Sauerstoffmangel ausgelöste Erschöpfung ließ die Beine schwach werden, und das an einem Hang, der stellenweise gefährlich steil und mit losem Geröll bedeckt war. Hier ließ der Trainer seinen Trupp aus Gründen der Sicherheit langsamer laufen. Der Captain ließ seine Leute vorbei und übernahm die Nachhut, um das Ganze im Auge zu behalten. Inzwischen konnten sie das Lager sehen. Fünf Gebäude; von einem stieg Rauch auf und versprach ein Frühstück. Chavez sah einen Hubschrauberlandeplatz, vier Geländefahrzeuge und einen Schießstand. Nirgends sonst eine menschliche Ansiedlung kein
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