06 - Der Schattenkrieg
tun Sie so etwas nicht noch einmal. Diesmal kommen Sie davon, weil wir den Fall ohne das von Ihnen sichergestellte Beweismaterial, von dem freiwillig erpreßten Geständnis einmal abgesehen, nicht zur Anklage bringen können. Aber übertreiben Sie es bitte in Zukunft nicht. Von den Dimensionen des Falles waren Sie bestimmt überrascht.«
»Allerdings. Als ich feststellte, daß das Opfer…«
»Genau. Sie haben einen Riesenskandal aufgedeckt, ohne zu viel Dreck abzubekommen. Da hatten Sie noch einmal Glück. Aber treiben Sie es nicht zu weit«, mahnte Murray.
»Vielen Dank, Sir.« Eine Minute später saß Murray wieder im Auto. Agent Bright war immer noch irritiert.
»Vor langer Zeit«, sagte Murray, »bekam ich als blutjunger Agent einmal einen Auftrag in Mississippi. Drei Bürgerrechtskämpfer waren verschwunden, und ich war ein sehr unbedeutendes Mitglied des Teams, das den Fall aufklärte. Im Grunde tat ich nicht mehr, als Inspector Fitzgerald den Mantel zu halten. Je von Big Joe gehört?«
»Mein Vater arbeitete mit ihm«, erwiderte Bright. »Dann wissen Sie ja, daß Joe eine Persönlichkeit war, ein echter Cop der alten Schule. Wie auch immer, es sprach sich herum, daß der Ku-Klux-Klan ein paar Agenten umlegen wollte Sie kennen ja die Geschichten, es wurden zum Beispiel die Familien von FBI-Angehörigen bedroht und belästigt. Joe wurde sauer und ließ sich von mir zu einem Großmufti fahren, der die wildesten Sprüche klopfte. Da hockte der Kerl unter einem Baum in seinem Vorgarten, als wir vorfuhren. Hatte eine Schrotflinte neben seinem Sessel stehen und war schon halb besoffen. Joe ging auf ihn zu, und der Kerl griff nach der Flinte, aber Joe starrte ihn so lange an, bis er sie wieder hinstellte. Ich wurde ein bißchen unruhig und legte die Hand auf meinen Revolver, aber Joe starrte ihn nur an und sagte ganz ruhig, wenn weiter über Mord an Agenten geredet würde und die bescheuerten Anrufe bei Frauen und Kindern nicht aufhörten, käme er persönlich vorbei und legte ihn um hier in seinem eigenen Garten. Big Joe brüllte nicht, sondern sprach ganz leise, als bestellte er sich ein Frühstück. Der Großmufti des Klans glaubte ihm. Ich übrigens auch. Und von da an war Ruhe.«
»Das war natürlich illegal«, fuhr Murray fort. »Aber manchmal muß man halt fünf gerade sein lassen. Ich habe das getan; Sie auch.«
»Ich habe nie…«
»Fangen Sie bloß nicht an zu flattern, Mark. Manchmal muß unser Ermessensspielraum eben etwas weiter sein. In diesem Fall haben die Männer der Panache wertvolle Hinweise beschafft, die wir aber nur benutzen können, wenn wir die Methoden, mit denen sie aus den Festgenommenen herausgeholt wurden, ignorieren.«
»Na gut«, meinte Bright, aber wohl schien ihm dabei nicht zu sein. »So, dann müssen wir nur noch herausfinden, warum dieser Mann mit seiner Familie ermordet wurde. Als ich früher in New York Gangstern auf den Fersen war, vergriff sich niemand an Familien. Selbst Exekutionen wurden nur in Sonderfällen vor der Familie des Opfers ausgeführt.«
»Für die Narcos scheinen überhaupt keine Regeln mehr zu gelten«, bemerkte Bright. »Stimmt - und ich habe mal Terroristen für schlimm gehalten.«
Viel einfacher und angenehmer als bei den Macheteros, dachte Cortez. Er saß in der Ecknische eines guten und teuren Restaurants, hatte eine zehnseitige Weinkarte in der Hand welcher Kontrast zu einer mit Ratten verseuchten Hütte in einem Elendsviertel, wo man Bohnen fraß und revolutionäre Sprüche klopfte. Er bestellte einen seltenen Wein von der Loire. Der Weinkellner nahm die Karte zurück und ließ anerkennend seinen Kugelschreiber einschnappen.
Cortez war in einem Land aufgewachsen, in dem die Armen in diese Kategorie fiel fast jeder mit Mühe und Not das Geld für Brot und Schuhe zusammenkratzten. In den Armenvierteln Amerikas dagegen brachten die Menschen Hunderte pro Woche für ihre Drogensucht auf. Dem ehemaligen Oberst kam das mehr als bizarr vor. In Amerika breiteten sich die Drogen von den Slums in die Vororte aus und brachten jenen Wohlstand, die besaßen, was anderen fehlte… Und auf internationaler Ebene war das im Grunde genauso. Die yanquis, die mit ihrer Entwicklungshilfe für ärmere Nachbarn grundsätzlich geizten, überfluteten sie nun mit Geld, aber auf einer nichtoffiziellen Basis. Cortez fand das zum Lachen. Er wußte zwar nicht, wieviel die yanqui-Regierung ihren Freunden gab; aber für ihn stand fest, daß gewöhnliche US-Bürger für ihre Sucht nach
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