06 - Der Schattenkrieg
chemischen Reizen sehr viel mehr an Entwicklungsländer wie Kolumbien zahlten, ohne die Einhaltung von »Menschenrechten« zur Bedingung zu machen. Als Geheimdienstoffizier hatte er Jahre mit dem Versuch zugebracht, Amerika herabzusetzen, zu diskreditieren, seinen Einfluß zu vermindern, aber dabei die falschen Methoden angewandt. Er hatte versucht, den Kapitalismus mit dem Marxismus zu bekämpfen, obwohl doch eigentlich auf der Hand lag, welches System funktionierte und welches nicht. Es gab natürlich auch die Möglichkeit, den Kapitalismus mit seinen eigenen Widersprüchen zu bekämpfen und so seinen ursprünglichen Auftrag doch noch auszuführen - und dabei die Vorteile des Systems zu genießen, dem er Schaden zufügte. Seltsam war nur, daß seine früheren Arbeitgeber ihn nun für einen Verräter hielten, nur weil er auf ein System gestoßen war, das funktionierte… Der Mann ihm gegenüber sah aus wie ein typischer Amerikaner, fand Cortez. Übergewichtig vom vielen guten Essen, teure, aber ungepflegte Kleidung. Cortez konnte sich entsinnen, in seiner Jugend barfuß gegangen zu sein und sich glücklich geschätzt zu haben, weil er ein Hemd besaß. Dieser Mann fuhr einen teuren Wagen, wohnte in einem Luxusappartement, bekam ein Gehalt, das für zehn Oberste des DGI ausgereicht hätte, und doch war es ihm nicht genug. Typisch Amerika was man auch hatte, es war nie genug.
»Nun, was haben Sie für mich?«
»Vier Möglichkeiten. Die Details habe ich in der Aktentasche.«
»Wie gut sind sie?« fragte Cortez. »Sie entsprechen alle Ihren Richtlinien«, antwortete der Mann. »Habe ich nicht immer…«
»Ja, Sie sind sehr zuverlässig. Deshalb bezahle ich Sie ja auch so gut.«
»Es freut mich, wenn Sie meine Arbeit schätzen, Sam«, sagte der Mann mit einer Spur Selbstgefälligkeit.
Felix für seinen Gast hieß er Sam hatte die Leute, mit denen er zusammenarbeitete, immer zu schätzen gewußt. Andererseits verachtete er sie, weil sie für ihn Schwächlinge waren. Aber ein Geheimdienstoffizier - und für einen solchen hielt er sich noch immer durfte nicht zu wählerisch sein. Leute wie diesen Mann gab es in Amerika im Überfluß. Daß auch er selbst gekauft worden war, kam Cortez nicht in den Sinn. Er hielt sich für einen Profi, eine Art Söldner vielleicht, aber das hatte schließlich Tradition. Außerdem tat er, was seine früheren Chefs immer von ihm verlangt hatten, aber wirkungsvoller, als es je beim DGI möglich gewesen war. Und obendrein wurde die Rechnung von den Opfern bezahlt, den Amerikanern nämlich.
Das Dinner verlief ohne Zwischenfall. Der Wein war vorzüglich, das Steak aber verbraten und das Gemüse fade. Washingtoner Restaurants sind überbewertet, fand er. Auf dem Weg nach draußen nahm er sich einfach die Aktentasche seines Gastes und ging zu seinem Wagen. Im Hotel sah er sich die Unterlagen mehrere Stunden lang gründlich durch. Der Mann ist zuverlässig, sagte sich Cortez: Jeder Vorschlag war solide.
Er nahm sich vor, am nächsten Tag mit dem Rekrutieren zu beginnen.
7
Bekannte und Unbekannte
Wie Julio versprochen hatte, dauerte es eine Weile, bis man sich an die Höhenluft gewöhnte. Chavez schlüpfte aus den Rucksackgurten. Noch war das Stück erst zwölf Kilo schwer, aber man steigerte das Gewicht allmählich und verzichtete bei diesem Trainingsprogramm auf radikale Methoden, was dem Sergeant, der nach einem Acht-Meilen-Lauf noch heftig schnaufte, durchaus recht war. »Das war nicht so schlimm«, meinte Julio ohne zu keuchen. »Ich sage aber nach wie vor, daß man die beste Kondition beim Bumsen kriegt.«
»Da hast du recht«, stimmte Chavez lachend zu. »Beschäftigung für ungenutzte Muskelgruppen…« Das Beste am Trainingslager war das Essen. Unterwegs gab es zu Mittag Unsägliches aus der Packung, aber Frühstück und Abendessen wurden in der überdimensionierten Küche des Lagers liebevoll zubereitet. Chavez nahm immer so viel frisches Obst wie möglich, bestreute es mit dem Energieträger Zucker und trank dazu den scheinbar besonders koffeinhaltigen Army-Kaffee, der Tote aufwecken konnte. Dann machte er sich mit Gusto über seinen Obstsalat her, während seine Kameraden fetten Frühstücksspeck und Spiegeleier verschlangen. Anschließend ging Chavez noch einmal an die Theke, um sich gebratene Kartoffeln zu holen. Er hatte gehört, daß Kohlehydrate gute Energiespender waren.
Im großen und ganzen ging es ihm nicht schlecht. Das Training war hart, aber man blieb wenigstens vor
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