06 - Der Schattenkrieg
haben einen guten Safe-Spezialisten im Büro. Anschließend mußten nur noch die Codes auf den Disketten geknackt werden. Dabei half uns ein Kontaktmann in Mobile nein, er weiß nicht, was auf den Disketten ist. Er weiß schon, daß er nicht zu genau hinschauen darf, und für diesen Kram interessiert er sich sowieso nicht. Die Sache bleibt wohl besser geheim, bis wir das Geld beschlagnahmen.«
»Hm, es ist wohl das erste Mal, daß sich das FBI im Besitz eines Einkaufszentrums sieht. Allerdings kann ich mich entsinnen, daß wir früher sogar mal eine Oben-ohne-Bar beschlagnahmt haben.« Murray griff lachend nach dem Hörer und wählte das Vorzimmer des Direktors an. »Guten Morgen, hier Dan Murray. Richten Sie dem Chef aus, daß wir etwas ganz Heißes für ihn haben. Bill Shaw wird sich das auch anhören wollen. Ich komme in zwei Minuten rüber.« Murray legte auf. »Kennen Sie den Direktor persönlich?«
»Ich habe ihm nur mal auf einem Empfang die Hand gegeben.«
»Er ist ein anständiger Kerl«, versicherte ihm Murray auf dem Weg zur Tür. Im Korridor trafen sie Bill Shaw, den für Ermittlungen zuständigen Stellvertreter des Direktors.
»Bill, freuen Sie sich auf einen Leckerbissen«, bemerkte Murray beim Öffnen der Tür. Er ließ seine Kollegen hinein und blieb wie angewurzelt stehen, als er die Sekretärin des Direktors erblickte. »Donnerwetter, Moira, Sie sehen ja umwerfend aus!«
»Nehmen Sie sich in acht, Mr. Murray, oder ich schwärze Sie bei Ihrer Frau an!« Aber Murray hatte recht, das ließ sich nicht bestreiten. Ihr Kostüm war schick, ihr Make-up perfekt, und ihr strahlendes Gesicht verriet, daß sie frisch verliebt war.
»Bitte vergeben Sie mir«, meinte Murray. »Dieser hübsche junge Mann hier ist Mark Bright.« »Sie sind fünf Minuten zu früh dran, Agent Bright«, sagte Mrs. Wolfe, ohne auf ihren Terminkalender geschaut zu haben. »Kaffee?«
»Danke, nein, Madam.«
»Gut.« Sie stellte mit einem Blick auf die Telefonanlage sicher, daß der Direktor kein Gespräch führte. »Sie können gleich reingehen.«
Das Büro des Direktors war groß genug für Konferenzen. Emil Jacobs war nach einer distinguierten Karriere als US-Staatsanwalt in Chicago zum FBI gekommen und hatte wegen dieser Stelle eine Berufung ans dortige Appellationsgericht abgelehnt. Es verstand sich von selbst, daß er in jede Anwaltskanzlei in Amerika als Partner hätte eintreten können, aber Emil Jacobs hatte es sich schon seit dem Examen zur Lebensaufgabe gemacht, Kriminelle ins Gefängnis zu bringen. Ein Grund waren die Leiden seines Vaters während der Alkoholkriege der Prohibition. Nie konnte Jacobs die Narben vergessen, die sein Vater trug, weil er einem Bandenmitglied widersprochen hatte. Der Schutz der Schwachen vor den Bösen war Emil Jacobs’ Lebenszweck. Wie sein Vater ein kleinwüchsiger Mann, widmete er sich dieser Aufgabe mit fast religiöser Leidenschaft, die er mit seinem brillanten Intellekt kaschierte. Er war in der vorwiegend irisch-katholischen Behörde als einer der wenigen Juden Ehrenmitglied von siebzehn irischen Logen. Im Gegensatz zu der legendären Grauen Eminenz J. Edgar Hoover, der für seine Untergebenen immer nur »Direktor Hoover« gewesen war, nannten die Agenten ihn liebevoll »Emil«.
»Ihr Vater hat einmal für mich gearbeitet«, sagte Jacobs und reichte Agent Bright die Hand. »Sitzt er immer noch auf seiner Insel Marathon Key und fischt Tarpon?«
»Jawohl, Sir. Woher wissen Sie das?«
»Weil er mir jedes Jahr eine Chanucka-Karte schickt.« Jacobs lachte. »Aber das ist eine lange Geschichte. Es wundert mich, daß er sie noch nicht zum besten gegeben hat.«
»Nun, was liegt an?« Bright nahm Platz, öffnete seine Aktentasche und teilte die gebundenen Kopien seiner Dokumente aus. Dann begann er seinen Vortrag, stockend zuerst, aber nach zehn Minuten hatte er sich ganz für sein Thema erwärmt. Jacobs blätterte rasch den Hefter durch, ließ sich aber kein gesprochenes Wort entgehen.
»Es geht um eine gute halbe Milliarde«, schloß Bright. »Nach dem, was ich hier sehe, ist es sogar noch mehr.«
»Zu einer eingehenden Analyse kam ich noch nicht, Sir. Ich dachte mir aber, daß Sie das sofort sehen wollen.«
»Richtig gedacht«, erwiderte Jacobs, ohne aufzuschauen. »Bill, welchen Mann vom Justizministerium ziehen wir da am besten zu?«
»Ich denke da an einen Marty - wie hieß er noch mal?, der die Ermittlungen im Sparkassenskandal leitete«, sagte Shaw. »Ein junger Kerl, der die richtige Nase
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