06 - Der Schattenkrieg
Sobald der Kellner gegangen war, öffnete Cortez die Verbindungstür.
»Ich komme mir ganz verrucht vor! Du hättest den Blick des Kellners sehen sollen.« Sie lachte. »Weißt du, wie lange es her ist, daß ich mich im Nebenzimmer verstecken mußte?« »Du hast dir nicht genug bestellt. Wie willst du von so einem winzigen Salat leben?« »Wenn ich dick werde, kommst du nicht wieder.«
»Bei uns zählt man die Rippen einer Frau nicht«, sagte Cortez. »Wenn mir jemand zu dünn vorkommt, gebe ich gleich dem basuco die Schuld. Wer das Zeug nimmt, vergißt sogar das Essen.« »Ist es bei euch denn so schlimm?«
»Weißt du, was basuco ist?«
»Kokain, steht in den Berichten, die ich zu sehen bekomme.«
»Ja, Kokain von schlechter Qualität, versetzt mit Chemikalien, die das Gehirn vergiften. Es ist zur Geißel meines Landes geworden.«
»Wir haben hier auch ein ernstes Rauschgiftproblem«, meinte Moira und spürte, daß diese Sache ihrem Liebhaber Sorgen machte. Da ist er wie der Direktor, dachte sie.
»Ich habe zu Hause mit der Polizei gesprochen. Wie sollen meine Arbeiter etwas leisten, wenn dieses Zeug ihnen die Köpfe vergiftet? Und was tut die Polizei? Sie macht Ausflüchte und zuckt die Achseln. Inzwischen sterben die Menschen am basuco und an den Kugeln der Dealer. Und niemand gebietet dem Einhalt.« Cortez machte eine hilflose Geste. »Eines Tages werden die Rauschgifthändler kommen und mir meine Fabrik abnehmen. Dann kann ich zur Polizei gehen, aber die Polizei wird nichts unternehmen. Dann gehe ich zur Armee, aber auch die wird nichts tun. Du arbeitest doch bei euren federales, nicht wahr? Sag mal, kann denn da niemand etwas ausrichten?« Cortez hielt den Atem an und war auf die Antwort gespannt.
»Du solltest die Berichte sehen, die ich für den Direktor schreiben muß.«
»Berichte!« schnaubte er. »Die kann jeder schreiben. Bei uns verfaßt die Polizei auch ein Protokoll nach dem anderen, und die Richter ermitteln, aber passieren tut nichts. Wenn ich meine Fabrik so führen würde, wäre ich schon längst pleite! Tun eure federales denn etwas?«
»Mehr als du glaubst. Im Augenblick gehen Dinge vor, über die ich nicht reden darf. Im Büro heißt es, daß die Regeln geändert werden, aber was das bedeutet, weiß ich nicht. Der Direktor fliegt bald zu Gesprächen mit dem Justizminister nach Kolumbien oh, auch das darf ich eigentlich niemandem sagen. Das muß streng geheim bleiben.«
»Ich verrate es bestimmt nicht«, versicherte Cortez. »Viel weiß ich ohnehin nicht«, fuhr sie vorsichtiger fort. »Irgend etwas Neues fängt an. Was, weiß ich nicht. Auf jeden Fall scheint es dem Direktor zu mißfallen.«
»Warum sollte es ihm mißfallen, wenn es den Kriminellen schadet?« fragte Cortez verwundert. »Meinetwegen könnt ihr sie alle auf der Straße abknallen. Dann würde ich eure federales nachher zum Essen einladen!«
Moira lächelte nur. »Ich werd’s weitersagen. Was du vorgeschlagen hast, steht auch in den Briefen, die wir aus der Bevölkerung bekommen.«
»Dein Direktor sollte auf die Leute hören.«
»Das tut er, und der Präsident auch.«
»Vielleicht unternimmt er etwas«, meinte Cortez. Immerhin ist Wahljahr, dachte er. »Mag sein, daß er schon dabei ist. Was die Veränderungen auch sein mögen, der Anstoß kam von ihm.«
»Und die Sache gefällt deinem Direktor trotzdem nicht?« Er schüttelte den Kopf. »Ach, ich verstehe ja meine eigene Regierung nicht. Wie soll ich da bei deiner durchblicken?«
»Irgendwie ist die Sache komisch. Zum ersten Mal weiß ich nicht ach, das darf ich dir nicht sagen.« Moira aß den Rest ihres Salats auf und warf einen Blick auf ihr leeres Weinglas. Cortez schenkte nach.
»Kannst du mir eines verraten?«
»Was denn?«
»Wann fährt dein Direktor nach Kolumbien?«
»Wieso willst du das wissen?« Sie war zu verdutzt, um die Antwort zu verweigern. »Ein Staatsbesuch dauert doch mehrere Tage, oder?«
»Das nehme ich an. Genau weiß ich es nicht.«
»Wenn dein Direktor fort ist, hast du als seine Sekretärin wohl nicht viel zu tun, oder?« »Stimmt.«
»Gut, dann komme ich natürlich nach Washington.« Cortez stand auf und ging um den Tisch herum. Moiras Bademantel war offen, und er nutzte das aus. »Morgen früh fliege ich zurück. Ein Tag mit dir ist mir nicht mehr genug. Hmmm, ich glaube, du willst schon wieder.«
»Und du?«
»Mal sehen. Eines kapiere ich nie«, meinte er und zog sie hoch. »Und was wäre das?« »Warum holen sich diese Narren ihr Vergnügen aus einem
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