06 - Ein echter Snob
nur ein paar Masken, die er von seinen Reisen in
den Osten mitgebracht hat.«
Jenny spähte vorsichtig durch die
Finger. Die furchtbaren Gesichter, die vom Betthimmel herabhingen und sie
durchdringend anblickten, waren nichts als grinsende Masken aus Holz und
Haaren.
»Tun Sie sie weg, bitte«, bat Jenny.
Mrs. Freemantle beauftragte Giles,
die Masken abzunehmen, und folgte ihrem Butler dann nach draußen, vor sich hin
brummelnd, dass sie nicht wisse, wo sie sie jetzt lassen solle.
Dann erschien Lady Letitia, um
Jennys Haar sanft aus der Stirn zu streichen und sie zu drängen, jetzt aber zu
schlafen.
»Wie soll ich denn in einem so
fürchterlichen Zimmer schlafen können?« beklagte sich Jenny. Ihr Blick fiel auf
einen Elefantenfuß, in dem ein Bündel Pampasgras steckte, und sie erschauerte.
Lady Letitia steckte eine Hand unter
die Bettdecke. »Die Betten sind gelüftet, Kind«, sagte sie, »und die Matratze
fühlt sich bequem an. Schlaf jetzt, sonst siehst du heute abend nicht so gut
wie sonst aus.«
Als sie gegangen war, starrte Jenny
zum Betthimmel hinauf und beschloss mit noch größerer Bestimmtheit, nicht zu
dieser Gesellschaft zu gehen. Dann fielen ihr die Augen zu, und sie schlief
fest ein.
Sie wachte erst durch die drängenden
Rufe der Kammerzofe und Lady Letitias auf. Sie hatten vergessen, sie
rechtzeitig zu wecken, erklärte Lady Letitia. Sie müsse sich beeilen. Völlig
schlaftrunken ließ sich Jenny baden und anziehen und die Locken wickeln und
pomadisieren, und als sie vollständig wach war und sich daran erinnerte, dass
sie vorgehabt hatte, Kopfschmerzen vorzuschützen, war es zu spät.
Der Anblick von Mrs. Freemantle in
Abendtoilette war genug, um Jennys Herz bis in die kleinen blauen Lederslipper
sinken zu lassen.
Ein Ballkleid aus einfachem Krepp
über einem weißen Satinunterkleid, das die Länge eines Tanzkleides hatte. Um
den Saum, an den Handgelenken und um die Taille war es mit weißen Samtschleifen
verziert, die üppig mit Gold besetzt waren. Das großzügige Dekollete enthüllte
einen wenig anziehenden gelblich-schrumpeligen Busenansatz und scharf
hervorstehende Knochen. Auf dem Kopf trug sie eine feine Musselinhaube, die
mit wertvoller Spitze eingefasst war — jedoch über einer nußbraunen Perücke der
billigsten Sorte, die aussah, als sei sie aus Rosshaar hergestellt.
Es war ein Kleid, das für eine kühne
junge Miss, die noch keine zwanzig war, passend gewesen wäre, aber kaum die
richtige Ballrobe für eine alte Dame. Lady Letitia trug ein Satinkleid in gedämpftem
Rot, um den Hals eine schwere goldene Kette. Auf ihrem Kopf saß ein
hinreißender Turban aus gefältelter scharlachroter Seide, der mit einer
Brosche aus Gold und Rubinen zusammengehalten war.
Jenny betrachtete in dem langen
Spiegel in der Halle ihre eigene Erscheinung, aber dieses Mal hob nicht einmal
der Anblick ihrer Schönheit ihre Stimmung. Das Kleid aus zartblauem Musselin
mit hübschen Rüschen und Falten über einem Unterkleid aus weißem, besticktem
Batist hatte sie noch nie getragen. Sie erinnerte sich voller Zorn, wie viele
Träume sie mit diesem Kleid verbunden und dass sie es für eine ganz besondere
Gelegenheit aufbewahrt hatte. Jetzt würde es den vulgär glotzenden Blicken
eines Haufens unbedeutender Leute ausgesetzt sein!
In diesem Augenblick überprüfte auch der Herzog von
Pelham in der Clarges Street Nummer 67 seine Erscheinung kritisch im Spiegel.
Er trug einen Abendrock aus mattgrüner Seide mit goldenen Knöpfen über einer
Weste aus grün-gold gestreifter Baumwolle. Seine Halsbinde war auf
raffinierteste Weise geschlungen. Die Hose aus doppelt gewalkter Wirkware
spannte sich über seine kräftigen Oberschenkel wie eine zweite Haut und war an
den Knien mit goldenen Bändern — je sechzehn »Schnürsenkeln« — festgebunden.
Er band seinen Galadegen um und klemmte sich den Zweispitz unter den Arm.
»Hast du alles, was ich brauche?«
fragte er Fergus, über die Schulter blickend.
»Ja, Euer Gnaden. Ich habe Ihre
Riechflasche und den Fächer, Spielgeld und zwei saubere Taschentücher.«
»Gut. Dann sind wir fertig. Ich
wünschte, ich hätte nicht zugesagt. Aber ich habe mich von Mannering überreden
lassen.«
Der Herzog schüttelte den Kopf, als
er die Ereignisse des Tages noch einmal überdachte. Er hatte bis jetzt jeden
Fronturlaub abgelehnt, da er es für seine Pflicht hielt, so lange, wie er nur
konnte, für sein Vaterland zu kämpfen. Aber ein ernsthafter Fieberanfall hatte
ihn ins
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