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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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ein bisschen
vorsichtig aufgetragene Farbe, dachte er und drehte den Kopf nach allen Seiten.
Sein Gesicht war zu tief gebräunt; der Krieg hatte auf beiden Seiten seines
Mundes tiefe Linien gegraben, und seine braunen Augen hatten einen wissenden
Blick. Aber er hatte eine gute Figur, eine gerade Nase und einen entschlossenen
Mund. Seine Beine hatten falsche Waden oder Polster nicht nötig. Sein...
    »Sag es mir, wenn ich dir den Blick
versperre«, sagte der Herzog eisig.
    »Nein, Euer Gnaden«, entgegnete
Fergus und trat schnell einen Schritt zurück. »Ich habe mich nur versichern
wollen, dass ich Ihnen gerecht werde.«
    »Wann hast du dir je zuvor Gedanken
über dein Aussehen gemacht, mein lieber Fergus?« Der Herzog lachte. »Welche
ist es?
    Die höchst schätzenswerte
Haushälterin mit der großen Haube?«
    »Die ist doch zu alt für mich«,
entgegnete Fergus barsch. Der Herzog lächelte seinen Diener belustigt an und
wandte sich dann zum Gehen.
    Zutiefst niedergeschlagen folgte
Fergus seinem Herrn aus dem Zimmer.
    Immer noch schlechtgelaunt, raffte Jenny
Sutherland ihre federleichten Röcke und kletterte hinter ihrer Tante und der
Gastgeberin in die Kutsche. Sie bereitete sich auf eine lange Fahrt in irgendein
unbedeutendes Stadtviertel vor. Bloomsbury vielleicht. O Schrecken über
Schrecken!
    Zu ihrem Erstaunen kam die Kutsche
jedoch schon nach einer kurzen Strecke zum Stehen. Verwundert kletterte Jenny
auf den Gehsteig hinunter. Sie stand vor einem großen Stadthaus, dessen
sämtliche Fenster hell erleuchtet waren. Zahlreiche gepuderte Lakaien mit
gestärkten, goldbestickten Hemden unter den Überröcken und goldenen Degen
standen auf beiden Seiten des Eingangs aufgereiht.
    »Mein Gott!« rief Jenny aus. »Ist
das Mrs. Bessamys Haus?«
    »Natürlich, meine Liebe«, sagte Lady
Letitia und warf ihrer Nichte einen boshaften Blick zu. »Was hast du denn
erwartet? Mrs. Bessamy gehört zu den Spitzen der Gesellschaft.«
    »Aber sie hat doch nicht einmal
einen Titel!«
    »Pst! Verrate Mrs. Freemantle doch
nicht, wie unwissend du bist. Oft haben die Angehörigen der Gesellschaft ohne
Titel mehr Einfluss als die Aristokraten. Schließlich ist ja auch Brummell nur
ein einfacher >Misten.<
    Völlig verwirrt folgte Jenny ihren
Beschützerinnen eine elegant geschwungene Treppe zu einer Reihe von Salons im
ersten Stock hinauf. Mrs. Bessamy war eine kleine, betriebsame Blondine, mollig
und unscheinbar, aber von Kopf bis Fuß mit Juwelen behangen, die den Eindruck
erweckten, als hätte ihre Zofe sie damit wie mit Pfeilen beworfen. Selbst über
ihren Rock waren völlig willkürlich Diamantbroschen verteilt. Auf dem Kopf trug
sie einen großen, schweren Stirnreif mit Diamanten, Rubinen und
Halbedelsteinen. Ihr dickliches Gesicht war flach und von Querfalten
durchzogen; es sah aus, als könnte es in seine normale Form zurückspringen,
sobald ihr Kopf von dem Gewicht des großen Stirnreifs befreit war.
    Mrs. Freemantle wurde herzlich
willkommen geheißen und Jenny einer verwirrenden Zahl von Leuten vorgestellt.
Auf dem Land trug man noch oft gepuderte Perücken, aber hier zeigten die
meisten Herren ihr eigenes Haar. Die niederträchtige Mehlsteuer hatte zusammen
mit der Tatsache, dass Wellington aufgehört hatte, pro Jahr 6500 Tonnen Mehl
zum Pudern der Haare seiner Soldaten zu kaufen, den Wandel herbeigeführt.
Manche bedauerten dies und sehnten sich nach den ihrer Meinung nach eleganteren
Zeiten zurück, als Fürst Kaunitz allmorgendlich in einem Zimmer auf und ab zu
schreiten pflegte, in dem vier Kammerdiener duftende Puderwolken über seinem
Haupt zerstäubten, jede in einer anderen Farbe, damit sich auf dem Kopf ihres
Herrn der Farbton ergab, der ihm am besten gefiel.
    Jenny hatte viel von ihrer sonstigen
überlegenen Gelassenheit eingebüßt. Es war eine merkwürdige Welt, in der man
solch hässliche alte Schachteln wie Mrs. Bessamy und Mrs. Freemantle liebevoll
begrüßte, während adlige und schöne Damen nicht annähernd so hoch bewertet
wurden.
    Die vornehme Londoner Gesellschaft
sprach auch ganz anders, als es Jenny erwartet hatte, und deshalb hörte sie
angestrengt hin, um zu versuchen, diesen fremden Tonfall nachzuahmen. Lord
Byron wurde zum Beispiel »Lord Birron« ausgesprochen und London »Lonnon«.
    Zwischen Lady Letitia und Mrs.
Freemantle schritt sie langsam durch die Salons und hielt Augen und Ohren
offen. Nie zuvor war sie in Räumen gewesen, die so hell erleuchtet und so
reich möbliert waren, so schön mit

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