06 - Ein echter Snob
Blumen geschmückt und so üppig mit Seide
tapeziert. In einem der größeren Salons befand sich ein kleiner Marmorbrunnen,
aus dem anstelle von Wasser Champagner sprudelte.
»So ein Unsinn, aber wirklich«,
verkündete Mrs. Freemantle dröhnend. »Da geht doch die ganze Kohlensäure
verloren. Möchtest du ein Glas, Jenny?«
»Vielen Dank, Mrs. Freemantle«,
sagte Jenny höflich. »Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
»Nein, nein, nein«, sagte Mrs.
Freemantle mit durchdringendem Bühnenflüstern, das im ganzen Haus zu hören
war. »Du darfst nicht sagen >verbunden<. Verbuuunden, Mädchen. Verbuuunden.«
»Aber es heißt, selbst der
Prinzregent sagt >verbunden<«, erwiderte Jenny ärgerlich.
»Nicht mehr, wenn sein
Sprecherzieher, John Kemble, mit ihm fertig ist«, sagte Mrs. Freemantle, schlug
sich dabei mit dem Fächer an die Hüften und brüllte vor Lachen. »Erst neulich
sagte Kemble: >Sir, darf ich Eure Königliche Hoheit bitten, Ihren königlichen
Mund zu spitzen und >verbuuunden< zu sagen?<«
Mrs. Bessamy kam herbeigeeilt. »Der
Prinzregent wird gleich dasein, Mrs. Freemantle. Hat es je einen so lästigen
Quälgeist gegeben? Er ist nämlich gar nicht eingeladen, müssen Sie wissen.«
Jenny stand mit vor Staunen
geweiteten Augen da. Der Prinzregent selber würde an der Gesellschaft
teilnehmen, und diese Gastgeberin war nicht einmal entzückt darüber!
Dann sah sie Lord Paul Mannering auf
sie zukommen, vergaß, dass sie ihn kaum kannte, und rief ihm allzu keck zu:
»Kommen Sie doch her und schauen Sie sich diesen hübschen Brunnen an, Mylord.«
»Jenny«, zischte Lady Letitia
äußerst betrübt.
Aber Lord Paul kam zu ihnen herüber,
lächelte Jenny an und verbeugte sich tief vor Lady Letitia. »Ich glaube, man
tanzt«, sagte er. »Darf ich hoffen, dass Sie mir die Ehre erweisen...«
»Natürlich, Mylord«, sagte Jenny und
strahlte so sehr über das ganze Gesicht, dass ihre Grübchen zu sehen waren.
Dann wunderte sie sich, warum ihre Tante ärgerlich die Stirn runzelte und es
ihn offensichtlich überraschte, dass sie seine Aufforderung angenommen hatte.
Lord Paul wandte den Blick von Jenny
ab, als sei er peinlich berührt, doch gleich hellte sich seine Miene wieder
auf. »Da ist ja Pelham«, rief er. »Ich freue mich so, dass er sich entschlossen
hat zu kommen.«
Der Herzog lächelte Lord Paul zur
Begrüßung zu, verbeugte sich vor Lady Letitia und ließ Jenny, die vor Wut
errötete, links liegen.
In diesem Moment ertönte vom Eingang
her mit Stentorstimme die Ankündigung, dass der Prinzregent gekommen sei. Die
Gäste stellten sich schiebend und schubsend in zwei Reihen auf.
Der Prinzregent war ein korpulenter
Mann, seine blauen Augen hatten den wässerigen Schimmer, der den
Gewohnheitstrinker verriet. »Es ist bloß gut, dass er nur Damen mag, die alt
genug sind, um seine Großmutter zu sein«, hörte Jenny Lady Letitia murmeln.
»Meine Jenny wird sicher vor ihm sein.«
»Ihre Nichte ist so schön«,
flüsterte Lord Paul, »dass ich bezweifle, dass sie heute abend vor irgendeinem
Mann sicher sein wird, nicht einmal vor Prinny.«
Jennys Augen strahlten bei dem
Kompliment wie Sterne. Sie richtete sich kerzengerade auf, und als sich der
Prinzregent ihr näherte, versank sie in einen anmutigen Knicks.
»He, wen haben wir denn da?« rief
der Prinzregent.
»Miss Jenny Sutherland«, sagte Mrs.
Bessamy. »Sie gehört zu unseren Debütantinnen.«
Es stimmte zwar, dass sich der
Prinzregent gewöhnlich nichts aus jungen Damen machte, aber an Jennys frischer
Schönheit und dem Blau ihres Kleides war etwas, das eine gefühlvolle Saite in
seinem fetten königlichen Herzen zum Erklingen brachte.
»Ich werde mit der hübschen Miss
Sutherland einen Walzer tanzen«, sagte er in bester Laune. »Musik!«
Das Orchester an der Stirnseite des
Saals stimmte einen Walzer an, und die Gäste machten die Tanzfläche frei, als
der Prinzregent seinen Arm um Jennys Taille legte, um sie zum Tanz zu führen.
»Du musst genau das tun, was Seine Königliche Hoheit tut«, hörte sie ihre Tante
verzweifelt flüstern.
Es dauerte nicht lange, bis Jenny
merkte, dass ihr königlicher Partner schwer betrunken war. Er schwankte und
taumelte und zwang sie zu ihrer Schande, ebenfalls zu schwanken und zu taumeln.
Sie schaute hilfeflehend zu ihrer Tante hinüber und sah diese unauffällig mit
dem Kopf nicken, so dass sie wußte, dass sie sich richtig verhielt. Wenn der
Prinzregent in betrunkenem Zustand tanzte, dann mussten alle Damen,
Weitere Kostenlose Bücher