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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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sehnsüchtig, »aber
keiner hat mich aufgefordert.«
    »Spiel, Joseph!« rief Rainbird. Er
sprang auf und verbeugte sich tief vor Jenny. »Würde Miss Sutherland mir die
unschätzbare Ehre erweisen, mir zu gestatten, Sie auf den Tanzboden zu führen?«
    Alle klatschten begeistert Beifall,
und zu Jennys Verblüffung standen die Diener auf und rückten den Tisch an die
Wand. Joseph stimmte eine fröhliche Melodie an.
    »Warum nicht?« lachte Jenny und
ergriff Rainbirds Hand.
    Sie stellten sich alle zu einem
Country-Tanz auf, den Rainbird mit Jenny anführte, dann folgten Mrs. Middleton
und Angus, Alice und das Stubenmädchen Jenny und Lizzie mit Dave.
    In diesem Augenblick kletterte der
Herzog von Pelham aus seiner Kutsche und hörte voller Erstaunen die lustigen
Töne, die aus der Gesindestube nach oben drangen.
    »Wahrscheinlich haben sie sich mit
meinem Wein einen angetrunken«, sagte er wütend zu Fergus.
    Er hatte schlechte Laune, weil ihn,
was er sich keineswegs eingestand, Gewissensbisse plagten. Denn er war
weitgehend für Jennys gesellschaftlichen Reinfall verantwortlich. Es hatte ihn
wütend gemacht, sie dastehen zu sehen, als erwarte sie von jedem, der einen
Blick auf sie warf, eine Huldigung. Dabei war er sich nicht recht im klaren
darüber gewesen, dass ein gutaussehender, reicher Herzog, der gerade aus dem
Krieg heimgekehrt war, beinahe unumschränkte gesellschaftliche Macht hatte, und
so hatte er einem jungen Mann gegenüber, der offenbar völlig hingerissen von
Jennys Aussehen war, die eisige Bemerkung gemacht: »Miss Sutherland ist eine
Unbekannte vom Land, die weder Charme noch Geist hat. Keine Partnerin für
einen Gentleman mit guten Manieren.« Zu seiner Verärgerung war dieser junge
Mann unmittelbar danach zu einer größeren Gruppe anderer Herren gestoßen,
denen er diese Bemerkung weitergab. Er sah die unverschämten, verächtlichen
Blicke, die sie in Jennys Richtung warfen, wollte sich aber nicht eingestehen, dass
er für ihre Demütigung verantwortlich war. Aber als Jenny gegangen war und er
nicht mehr die zweifelhafte Freude hatte, die Kränkung von Miss Jenny
Sutherland, die auf einem ländlichen Tanzvergnügen gewagt hatte, unhöflich zu
ihm zu sein, zu erleben, war ihm der Abend trist und langweilig erschienen.
    Er schritt in den vorderen Salon und
streckte die Hand nach der Klingel aus. Nein! Er würde die Diener selbst zur
Rechenschaft ziehen. »Bleib hier, Fergus«, befahl er, als er sah, dass sein
Diener verstohlen auf die Tür zuging. »Ich werde mich selbst darum kümmern.«
    Er ging die Hintertreppe hinunter
und stieß die Tür zur Gesindestube auf. Miss Jenny Sutherland wirbelte im Arm
seines Butlers herum, während die anderen Diener lachten und jubelten.
    Sie sah ihn als erste. Sie stieß
einen Schreckensschrei aus, und alles Glück und Leben wich aus ihrem Gesicht.
    »Was soll das bedeuten?« wollte der
Herzog wissen.
    Jenny wandte sich schon halb zur
Flucht und wollte diese seltsamen Diener dem Zorn ihres Herrn überlassen, aber
irgend etwas bewog sie, sich ihm zu stellen.
    »Es ist meine Schuld, Euer Gnaden«,
sagte sie trotzig. »Ich habe mich heute abend sehr unglücklich gefühlt. Da sah
ich Ihre Diener aus dem Kutschenfenster, und sie schienen sich so wohl zu
fühlen, so glücklich und entspannt zu sein, dass ich beschloss, sie zu
besuchen. Wir machen das auf dem Land auch«, sagte sie lebhaft, obwohl sie
genau wußte, dass es auf dem Land genauso schockierend wie in der Stadt war,
wenn eine Dame mitten in der Nacht Diener besuchte. »Ich war unglücklich, weil
ich auf dem Ball nicht tanzen konnte. So befahl ich Mr. Rainbird, mit mir zu
tanzen. Ihre Diener waren verpflichtet, meinem Befehl zu gehorchen.«
    Der Herzog musterte die Anwesenden
mit eiskalten Blicken. Die Diener erwiderten seinen Blick ruhig und ohne
jegliche Angst. Es fiel ihm auf, dass selbst Mrs. Middletons Gesicht nicht
zuckte. Er konnte ja nicht wissen, dass sich alle Diener gerade daran erinnert
hatten, dass die Freiheit an der nächsten Ecke wartete und dass sie also den
Zorn des Herzogs von Pelham nicht zu fürchten brauchten.
    »Ihre Tante wird die Geschichte
erfahren, Miss Sutherland«, sagte der Herzog.
    »Denk an deine Tante, denk nicht an
dein Aussehen«, drang eine Stimme an ihr Ohr, und Jenny fragte sich später, ob
es Rainbirds Stimme oder die Stimme ihres Gewissens gewesen war.
    »Euer Gnaden«, sagte Jenny, »meine
Tante hat alles für mich getan; sie hat mich großgezogen und sich um

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