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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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mich
gekümmert wie um eine Tochter. Wenn Sie es ihr erzählen, bestrafen Sie nicht
mich, sondern Lady Letitia. Bitte haben Sie Mitleid mit ihr.«
    Der Herzog schaute auf die trotzige
kleine Gestalt herab. Einige Locken hatten sich aus ihrem Kopfputz gelöst und
fielen ihr unordentlich auf die Schultern. »Ich werde es Lady Letitia nicht
erzählen«, hörte er sich sagen. »Aber meine Diener hätten Sie nicht bei dieser
Dummheit unterstützen sollen und müssen bestraft werden.«
    »0 nein!« rief Jenny. »Sie waren nur
nett! Schauen Sie doch nur, wie rot meine Augen vom Weinen sind! Sie haben nur
versucht, mich zu trösten.«
    Der Herzog drehte ihr den Rücken zu
und starrte die Wand an. Er hätte nicht gedacht, dass Miss Sutherland überhaupt
irgendwelche Gefühle hatte. Sie war beinahe noch ein Kind, und er hatte sie
dadurch zum Weinen gebracht, dass er ihre Stellung in der Gesellschaft
ruinierte.
    Er drehte sich wieder um und schaute
sie an. »Vielleicht ist es besser, wenn wir die ganze traurige Angelegenheit
vergessen. Benehmen Sie sich nicht noch einmal so daneben, Miss Jenny, wenn
Sie sich um das Wohlergehen Ihrer Tante Gedanken machen.«
    In diesem Augenblick stellte Jenny
fest, dass sie ihn ungeheuer gern mochte. »Dann müssen Sie mit mir tanzen, Euer
Gnaden, bevor ich nach Hause gehe.«
    »Nein, nein, nein«, flüsterte
Rainbird. »Jetzt sind Sie zu weit gegangen.«
    Aber der Herzog lächelte — sein
bezauberndes Lächeln — und sagte: »Natürlich.«
    Fergus, der fürchtete, dass die
wunderbare Alice von seinem wütenden Herrn entlassen werden könnte, war zur
Gesindestube hinuntergeschlichen und lauschte an der Tür erstaunt auf die
fröhlichen Töne, die nach wie vor von drinnen kamen. Vorsichtig stieß er die
Tür auf.
    Der Herzog tanzte mit niemand
anderem als der jungen Miss, die auf dem ländlichen Fest gewesen war und die er
erst heute abend beobachtet hatte, wie sie Mrs. Bessamys Fest verließ, während
er mit den anderen Dienern in der Halle stand.
    »Komm und schließ dich uns an, Fergus«,
rief der Herzog. Fergus ließ sich das nicht zweimal sagen und forderte Alice
zum Tanz auf.
    Jenny schaute verwundert zum Herzog
auf und fragte sich, ob er vielleicht doch ein Herz hatte. Er lächelte sie an,
und sie senkte verwirrt den Kopf, und ihre dunklen Locken kitzelten ihn am
Kinn. Sie ist im Grunde noch ein eigensinniges Kind, dachte der Herzog
nachsichtig. Bei der ersten Gelegenheit wollte er den Schaden, den er ihrem Ruf
zugefügt hatte, wiedergutmachen.
    Die Musik hörte auf. Der Herzog
blieb stehen, die Hand an Jennys Taille, und blickte zu ihr herunter. Jenny
fühlte sich heiß und erregt, alle möglichen verwirrenden Gefühle stürmten auf
sie ein. »Ich muss jetzt gehen«, sagte sie, zur Seite tretend.
    »Dann begleite ich Sie«, sagte der
Herzog.
    »Nein!« rief Jenny. »Wenn ich
ertappt werde, kann ich sagen, dass ich in den Kleidern eingeschlafen und
schlafgewandelt bin.« Sie wandte sich um, rannte aus der Tür und die
Außentreppe hinauf. Gleich darauf hörte man das schwächer werdende Getrappel
ihrer Schritte auf dem Gehsteig.

Viertes Kapitel

    Mrs. Freemantle kam nach Hause, als
die Morgendämmerung bereits rosig über London heraufstieg, und ihre Heimkehr
ging keineswegs geräuschlos vonstatten. Sie galt als Original und wurde von
einer Gruppe lärmender junger Stutzer in die Clarges Street begleitet. Nachdem
sie sich von allen mit einem Gutenachtkuss verabschiedet hatte, torkelte sie
unsicher in den vorderen Salon.
    Lady Letitia, die von den Geräuschen
auf der Straße aus einem unruhigen Schlaf geweckt wurde, zog sich ihren
Morgenmantel über und machte sich auf den Weg nach unten.
    Als Lady Letitia den Raum betrat,
war Mrs. Freemantle in einen Sessel am Kamin gesunken. Sie strömte einen
durchdringenden Geruch nach Alkohol aus. Ihre Haube lag zerknittert zu ihren
Füßen, und ihre Perücke war verrutscht. Sie saß mit geschlossenen Augen da.
    Lady Letitia rüttelte sie vorsichtig
an den Schultern. »Agnes«, sagte sie, »du darfst hier nicht einschlafen.«
    »He, was!« Mrs. Freemantle öffnete
die Augen und blickte sich verwirrt um. Dann schaute sie in Lady Letitias
ängstliches Gesicht. »0 Letischa«, nuschelte sie. »Eine Bombenstimmung auf dem
Fest. Pelham ist gegangen, bevor ich ihm meinen Fächer in sein dummes Gesicht
schlagen konnte.«
    »Warum wolltest du das denn tun?«
    »Na, überleg doch mal, was er Jenny
angetan hat.« Mrs. Freemantles Augen schlossen sich

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