06 - Ein echter Snob
Footman<
spritzen können, das Pub um die Ecke, in dem sich alle besseren Londoner Diener
trafen, um die letzten Neuigkeiten auszutauschen. Highgate war auf dem Land.
Er war ein Großstadtmensch und verabscheute das Land mit all den Fliegen und
dem Gestank und den Bauerntölpeln. Lizzie wäre wohl ein Trost. Aber wäre sie
das wirklich? Joseph runzelte ärgerlich die Stirn. Seitdem Lizzie lesen und
schreiben konnte, bildete sie sich zu seinem Kummer immer eine eigene Meinung
und lauschte nicht mehr auf jedes seiner Worte.
Auf seinem Strohsack unter dem
Küchentisch machte es sich der kleine Dave bequem, um seiner
Lieblingsvorstellung nachzuhängen, nämlich von einem Jahrmarkt zum anderen zu
reisen und den Hut herumzureichen, wenn Mr. Rainbird seine Vorführung beendet
hatte. Aber der Traum tröstete ihn nicht mehr. Eine andere Zukunft hatte
begonnen, und diese Zukunft war das Gasthaus, das sie alle gewollt und für das
sie hart gearbeitet hatten. »Die Kneipe soll der Teufel holen«, murmelte Dave
übelgelaunt vor sich hin. »Ich hoffe, wir kriegen sie nicht. Ich wünschte,
Lizzie würde wieder irgendwas Dummes machen.« Lizzie hatte sich vor ein paar
Wochen in Luke, den ersten Lakaien, der für Lord Charteris nebenan arbeitete,
verliebt. Und Luke hatte Lizzie überredet, ihm alle Ersparnisse auszuhändigen,
um sie auf ein Pferd zu setzen, und war dann prompt mit dem Geld durchgebrannt.
Aber ihre letzten Mieter hatten ihnen die verlorene Summe ersetzt, und jetzt
hinderte sie nichts mehr daran, das Gasthaus zu kaufen.
Palmer hatte Glück. Der Herzog hatte gut gefrühstückt
und war in milder Stimmung. Der Kaffee, die gegrillten Nierchen und die dünnen
Toastscheiben, die Angus bereitet hatte, waren ganz ausgezeichnet gewesen. Vor
den Fenstern strahlte die Sonne, und das schmale Stadthaus funkelte vor
Sauberkeit und Behaglichkeit.
Keiner der Diener hatte sein
Vertrauen missbraucht und auch nur im geringsten auf die seltsamen Ereignisse
des Vorabends angespielt. Der Herzog hatte befürchtet, sie könnten sich etwas
herausnehmen wollen, weil er ihre Lustbarkeit mit seiner erlauchten Gegenwart
beehrt hatte.
So traf Palmer den Herzog
bemerkenswert unkritisch an, als er mit seinen Büchern erschien. Rainbird, der
sein Ohr an die Tür zum Speisezimmer hielt, hörte den Herzog abschließend sagen:
»Es scheint alles in Ordnung zu sein, Palmer, obwohl ich finde, dass die Diener
in diesem Haus zu schlecht bezahlt werden.«
»Sie sind ganz zufrieden mit dem,
was sie bekommen«, hörte Rainbird Palmer mürrisch antworten.
Das war's dann also, dachte
Rainbird, der nicht wußte, dass Palmer dem Herzog eine Lohnliste vorgelegt
hatte, die viel höhere Löhne auswies als die Hungerlöhne, die Palmer ihnen in
Wirklichkeit zahlte. Rainbird nahm daher an, dass Palmer die Bücher doch nicht
gefälscht hatte. Sie hatten also keine Möglichkeit, mit ihm abzurechnen. Es war
besser, sich um das Gasthaus zu kümmern und dann ihre Posten aufzugeben.
Als Palmer gegangen war, rief der
Herzog Rainbird zu sich und sagte ihm, dass er den Nachmittag bei Freunden, die
in Primrose Hill wohnten, verbringen und dort auch zum Dinner bleiben wolle.
Am Abend werde er zurückkommen, um sich für die musikalische Soiree bei den
Denbys umzuziehen. Da er immer noch in gehobener Stimmung war, erlaubte der
Herzog Rainbird großzügig, dass die Diener sich den Tag freinehmen konnten, unter
der Voraussetzung, dass sie am Abend wieder bereitstanden, um seine Wünsche zu
erfüllen.
Fergus, der seinen Herrn begleiten
sollte, ging in die Gesindestube hinunter, um sich zu verabschieden. Er
spürte, wie neidisch er auf die Diener wurde, die eifrig Pläne für den Tag
schmiedeten. Nur Rainbird sagte nicht, was er vorhatte. Wie wunderbar wäre es,
dachte Fergus, wenn er die prachtvolle Alice einladen könnte, mit ihm im Park
spazierenzugehen.
Lizzie hatte vor, in die
St.-Patrick-Kirche am Soho Square zu gehen. Dabei versuchte sie sich
einzureden, dass sie ihre religiösen Pflichten sträflich vernachlässigt hatte,
hoffte jedoch die ganze Zeit, bei dieser Gelegenheit einen Blick auf Mr.
Gendreau werfen zu können. Alice und Jenny wollten einen Schaufensterbummel
machen, Angus und Mrs. Middleton planten einen Spaziergang an der Serpentine,
dem Teich im Hyde Park. Joseph ging auf ein Plauderstündchen in den >Running
Footman<, und Dave verkündete entschlossen, dass er mit Rainbird gehe.
Sie warteten alle ungeduldig, bis
sie den Herzog und Fergus aus dem Haus
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