06 - Geheimagent Lennet unter Verdacht
darauf landete er unten auf der Straße.
Nun sollte Constanze schießen. Noch niemals hatte sich Lennet freiwillig dem Feuer eines feindlichen Agenten ausgesetzt, und doch war es genau das, was er jetzt tat.
Ich habe Vertrauen zu ihr, wiederholte er sich. Sie scheint mich - gern zu haben. Aber wenn gerade deshalb ihre Hand zitterte?
Constanze sollte schießen Ein Schuß krachte. Die Kugel schlug auf dem Bürgersteig auf.
Lennet, der schon angefangen hatte, aufzustehen, rührte sich nicht mehr. Peng! Eine zweite Kugel prallte rechts vom Geheimagenten auf die Straße, nur zwei Meter von ihm enfernt.
Peng! Eine dritte gelierte drei Meter zu seiner Linken über das Straßenpflaster.
Lennet wälzte sich hin und her, tat so, als wollte er sich wieder aufrichten, stieß einen gellenden Schrei aus und brach in einer dramatischen Pose zusammen.
und Lennet rannte los
»Mein Gott! Ich habe ihn getötet!« stieß Constanze hervor. Sie stand am Fenster, die Pistole in der Hand.
»Ich habe ihn getötet!« schluchzte sie. Sie konnte ihre Blicke nicht von dem Toten abwenden, der unten auf der Straße lag.
Da hob der Tote einen Augenblick den Kopf, vergewisserte sich, daß die Straße noch menschenleer war, und zwinkerte seiner ,Mörderin' belustigt zu.
Bei Freunden
Eine Polizeisirene heulte auf.
Noch war kein Neugieriger erschienen, als auch schon der Wagen des Überfallkommandos kurz vor Lennet anhielt. Zwei Polizisten sprangen mit einer Bahre heraus, legten ihn darauf und eilten zu ihrem Wagen zurück.
Das Ganze geschah fast ein wenig zu schnell.
Glücklicherweise war zu dieser frühen Stunde noch niemand da, der es hätte beobachten können.
»Wo sollen wir Sie absetzen, Herr Leutnant?« fragte der eine der Polizisten in Uniform.
Lennet zögerte. Es konnte keine Rede davon sein, nach Hause zurückzukehren. Und doch hatte er ein großes Bedürfnis nach Ruhe.
Hilft nichts, dachte er. Ich werde Professor Roche-Verger um seine Gastfreundschaft bitten müssen.
Nun antwortete er dem Polizisten: »Fahren Sie mich bitte nach Châtillon-sous-Bagneux, Wohnsiedlung Bellevue, Block K. Dort finde ich mich dann schon zurecht.«
Professor Marais war einer der ganz großen französischen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Raketentechnik. Da er eine Zielscheibe für alle ausländischen Spionagedienste war, hatte Lennet schon öfter mit ihm zu tun gehabt. So hatte sich zwischen dem alten Wissenschaftler und dem jungen Geheimagenten eine Art Kameradschaft entwickelt.
Lennet bewunderte schon immer in dem älteren Mann nicht nur das wissenschaftliche Genie, sondern auch seine Bescheidenheit und Freundlichkeit. Aber es gab auch noch ein anderes Band: Die Tochter des Professors, die fröhliche Silvia, hatte bereits an zwei gefährlichen Einsätzen Lennets teilgenommen. Zwischen beiden jungen Leuten hatte sich ein festes Freundschaftsverhältnis entwickelt.
Silvia öffnete ihm die Wohnungstür, nachdem sie Lennet durch das Guckloch erkannt hatte. Sie trug einen Morgenrock, ihr Haar war zerzaust, und sie sah ihn verwirrt und verständnislos an.
»Lennet! Was ist geschehen? Du bist doch nicht etwa verletzt?«
»Nein, du gutes altes Stück. Nicht verletzt, höchstens am Ende meiner Kräfte. Morgen erkläre ich dir alles. Darf ich auf dem Sofa im Wohnzimmer ein paar Stunden schlafen?«
»Selbstverständlich. Vielleicht bist du hungrig. Soll ich dir rasch ein Omelett machen?«
»Sehr nett von dir, aber nein, danke. Stell dir vor, ich habe heute schon in einer Botschaft zu Abend gegessen.«
»Was, du wirst bereits in Botschaften eingeladen?«
»Ich werde nicht nur dort eingeladen, sondern man holt mich schon fast von zu Hause ab. Du hast keine Ahnung, was für einen bedeutenden Gast du bei dir aufnimmst! Ist dein Vater da?«
»Ja. Hörst du ihn nicht schnarchen?«
»Was? Das ist er? Dieses Sofa ist übrigens ausgezeichnet. Ich brauche bestimmt nichts weiter. Leg dich wieder schlafen. Und entschuldige, daß ich dich mitten in der Nacht geweckt habe.«
»Warte. Ich hole dir eine Decke und einen Schlafanzug meines Vaters.«
»Danke, meine Süße", sagte Lennet, als das Mädchen mit den Sachen zurückkam. »Und nun träum' schön. Vergiß nur nicht, mich zum Frühstück zu wecken. Ach, sag mal, wäre es dir sehr unangenehm, morgen nicht zur Schule zu gehen?«
»Es wäre mir entsetzlich unangenehm!« antwortete Silvia grinsend. »Ich weiß nicht, wie ich das überleben soll. Aber selbstverständlich, wenn es für das Wohl
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