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06 - Weihnacht

06 - Weihnacht

Titel: 06 - Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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brauchten, hätten sie es gar nicht nötig gehabt, anzuhalten, abzusteigen und deren Spuren zu untersuchen. Daß sie dies aber doch getan haben, ist eben der Beweis, daß sie gar nicht bei ihnen gewesen, sondern hinter ihnen hergeritten sind. Seht Euch die Fährte einmal genau an! Hier links zum Beispiel hat sich das Gras beinahe schon wieder aufgerichtet, während es da rechts noch vollständig niederliegt. Diese Stapfen sind also jünger als jene. Ich schätze die links auf fünf, die rechts aber bloß auf drei Stunden; nach dieser Angabe sind die zwei Reiter also zwei Stunden später hier gewesen als die drei.“
    „Da Ihr mich darauf aufmerksam gemacht habt, sehe ich diesen Unterschied im Grase nun freilich auch. Ich werde mir dieses Zeichen merken, um vorkommenden Falles auch sagen zu können, wie alt eine Fährte ist!“
    Ich mußte lächeln. Er sah das und fragte mich also:
    „Ihr lacht, Mylord? Warum?“
    „Weil diese Bestimmung nicht so leicht ist, wie Ihr zu denken scheint, Mr. Rost.“
    „Nicht so leicht? Hm! Man braucht doch nur das Gras anzusehen!“
    „Pshaw! Wenn es sich nur um den Zustand der Halme handelte, wäre die Sache allerdings ziemlich leicht, aber es sind da noch ganz andere Dinge in Betracht zu ziehen.“
    „Welche?“
    „Vor allen Dingen die Witterung. Hat es geregnet, oder schien die Sonne? Woher wehte der Wind? War er stark oder schwach, trocken oder feucht? Sodann muß man sehen, welche Art von Gras es ist, ob es sich leicht oder schwer aufrichtet, worauf seine Länge oder Kürze, die Dicke der Halme, sein Alter, also seine Elastizität, seine größere oder geringere Brüchigkeit großen Einfluß hat.“
    „Haltet auf, Mylord! Das ist ja eine ganze Menge von Dingen, die man dabei zu berechnen hat!“
    „Oh, das ist noch nicht alles!“
    „Was noch?“
    „Wie groß war die Last, welche auf das Gras drückte, und wie lange währte dieser Druck? Die Spuren eines ledigen und eines berittenen Pferdes sind von verschiedener Deutlichkeit und Schärfe, weil eben die Last verschieden ist; sodann können die Eindrücke beim schnellen Gehen oder Reiten flüchtiger, also weniger deutlich, in andern Fällen aber ganz im Gegenteile ausgesprochener und kräftiger sein als beim langsamem Gange. Beim langsameren Reiten oder Gehen ruht der Fuß oder der Huf länger auf der betreffenden Stelle als beim schnellen; aber man hat dagegen sehr zu berücksichtigen, daß mit der Schnelligkeit auch die Kraft des Druckes wächst. Ein galoppierendes Pferd tritt mit ganz anderer Stärke auf als ein langsam schreitendes; es haut förmlich auf, und da es dabei aber mit der vorderen Schärfe der Hufe fester auf- und tiefer tritt als mit dem hintern Teile derselben, läßt sich seine Gangart noch lange Zeit nach der Gestalt der Spuren unterscheiden und bestimmen. Ich könnte noch mehr sagen, was man alles zu berücksichtigen hat.“
    „Es ist genug, vollständig genug für mich, Mylord! Ich sehe ein, daß die Sache doch größere Schwierigkeit besitzt, als ich dachte, und glaube nicht, daß ich es so bald und so leicht lernen werde.“
    „Ja, das richtige Spurenlesen in Wildwest ist eine Wissenschaft, gradezu eine Wissenschaft, über die es freilich keine Lehrbücher und auch keine Lehrstühle gibt. Nicht jeder Mensch besitzt die Gabe, es in diesem Studium zu guten Erfolgen zu bringen. Wem sie versagt ist, der mag daheimbleiben, wenn er nicht zugrunde gehen will, denn es kommt sehr häufig vor und ist auch mir hundertmal passiert, daß von der richtigen Beurteilung einer Fährte sehr viel abhängt, vielleicht sogar das Leben.“
    „Doch nicht etwa hier von dieser auch?“
    „Das kann man jetzt noch nicht wissen. Die Reiter waren Weiße; wir haben es also nicht mit Indianern zu tun, und das ist beruhigend. Aber es gibt auch Weiße, welche mehr zu fürchten sind als feindliche Indsmen, und so haben wir jetzt noch gar keinen Grund, die hier stets nötige Vorsicht in den Wind zu schlagen. Es sind hier vor fünf Stunden drei Bleichgesichter geritten; zwei Stunden später kamen zwei andere hinterher. Diese fünf bilden eine Gesellschaft; sie gehören unbedingt zusammen, und so fragt es sich, warum die zwei nicht mit den drei geritten, sondern von ihnen getrennt gewesen sind.“
    „Hm! Mich dürft Ihr da nicht fragen; ich weiß es nicht! Aber wie könnt Ihr so bestimmt behaupten, daß die fünf zusammengehören?“
    „Ich sehe das aus dem Umstände, daß die hinterher Kommenden die Fährte der voran Reitenden

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