06 - Weihnacht
Der Häuptling der Apatschen hat soeben gesagt, daß sie uns raten wollen; was er sagt, das tut er auch, denn in seinem Munde ist noch nie das Gift der Unwahrheit gefunden worden, und darum darf ich ihm mitteilen, was ich entdeckt habe. Peteh, der Häuptling der Blutindianer, kommt mit zehnmal zehn Kriegern vom Elk-Creek herübergezogen, um zu den Krähen zu stoßen.“
„Welche Richtung hat er genommen?“
„Wenn er sie nicht ändert, wird er nach der Mündung des Medicine-River reiten, wo der Häuptling der Apatschen vorsichtig sein muß, nicht von ihm gesehen zu werden. Ich bin mehr rechts geblieben, damit Peteh meine Fährte nicht bemerken möge, und werde unterhalb der Geminole-Berge durch den Platte schwimmen.“
„Mein Bruder hat sein Pferd hier im Wald versteckt?“
„Ja. Ich sah vier Reiter kommen, und da ich wissen mußte, wer sie seien, ritt ich in den Wald, band mein Pferd dort an und versteckte mich hinter die ersten Bäume. Als sie herankamen, erkannte ich Winnetou und Old Shatterhand, unsere Freunde, mit noch zwei Bleichgesichtern. Meine Freude darüber war groß, und ich trat unter den Bäumen hervor, um mich ihnen zu zeigen. Werden unsere berühmten Brüder zu Avaht-Niah, unserm Häuptling reiten?“
„Ja, wir wollen zu ihm. Wo befindet er sich?“
„Er will jenseits der Gros Ventre Range, da wo das Schwefelwasser in den Hobacksfluß mündet, auf die vier Kundschafter warten.“
„Weiß mein Bruder, wo sich die drei Stämme der Krähen vereinigen werden?“
„Nein. Doch als ich unser Lager verließ, wurde angenommen, daß dies wahrscheinlich jenseits des South-Passes in der Gegend des Pacific- oder Mortonwassers geschehen werde.“
„Wenn das geschähe, würden die beiden einander feindlich gesinnten Lager drei gute Tagereisen voneinander entfernt liegen, und da wir nach dem Fremonts-Peak wollen, wären wir von dort aus nur einen Tagesritt von euch entfernt. Wird mein roter Bruder sich unterwegs verweilen?“
„Nein. Ich habe sehr schnell und ohne Aufenthalt zu Avaht-Niah zu reiten.“
„So bitte ich meinen Bruder, diesem unserm tapfern Freunde zu sagen, daß er uns hier getroffen habe und daß wir zwar nach dem Fremonts-Peak wollen, dies aber vielleicht aufschieben werden, um zu ihm zu kommen. Wenn er uns binnen fünf Tagen nicht bei sich sieht, sind wir entweder von den Feinden abgehalten worden, oder wir befinden uns am Stihi-Creek, wo wir nicht fortkönnen, weil wir eine böse Tat verhüten müssen. Auf alle Fälle werden wir, wenn wir mit den Krähen oder den Blutindianern zusammentreffen, als Freunde der Schoschonen handeln und dann euch aufsuchen. Kommen wir nicht, so befinden wir uns in Not, und Avaht-Niah mag uns bei den Feinden suchen oder nach dem Stihi-Creek kommen, um uns beizustehen. Hat mein Bruder Teeh sich alle meine Worte gemerkt?“
„Was Winnetou, der große Häuptling der Apatschen, sagt, kann nie vergessen werden. Es wird kein Wort von seiner Rede fehlen, wenn ich sie meinem Häuptling wiedersage.“
Er zog sich in den Wald zurück, kam einige Augenblicke später auf seinem Pferde wieder heraus, grüßte ehrerbietig mit der Hand und ritt im Galopp davon.
Es war für uns ein sehr günstiger Umstand, mit diesem Kundschafter hier zusammengetroffen zu sein, denn erstens hatten wir von ihm erfahren, wo die Schoschonen zu suchen waren und daß sich feindliche Blutindianer hinter uns befanden, und zweitens war diese Gelegenheit von Winnetou in seiner um- und voraussichtigen Weise dazu benutzt worden, uns, falls uns eine Gefahr zustoßen sollte, die Hilfe der Schlangenindianer zu sichern. Wie klug es von ihm gewesen war, dies zu tun, das sollten wir später zu unserm Glück erfahren.
Als der Kundschafter sich entfernt hatte, setzten wir unsern Weg fort und kamen, als es dunkel zu werden begann, an die Stelle, wo der Tokoah-Peh in den Medicine-River mündet. Die Utah-Indianer pflegten hier ihr auf der westlichen Laramie-Prärie erjagtes Fleisch zu dörren, woher der Nebenfluß den Namen Fleischwasser erhielt. Das Wort Tokoah-Peh gehört der Utahsprache an.
Es war Zeit, Lager zu machen. Wenn die Blutindianer ihre von dem Kundschafter beobachtete Richtung beibehielten, waren wir heute vor ihnen sicher; hatten sie dieselbe aber aus irgendeinem Grunde geändert, so trafen sie auf Corners Fährte oder gar mit diesem und seinen Begleitern zusammen und erfuhren in diesem Falle ganz gewiß, daß wir uns hier am Medicine-Flusse befanden. Sie betrachteten Winnetou und
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