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06

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Titel: 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Biss der Tod euch scheidet
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nehmen könntest ..."
    „MarjorieV, schrie ich und drückte den Hörer so fest, dass er zerbrach.
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    Glücklicherweise schliefen Jeannie und Lara noch fest. Auf leeren Straßen und mit einem Bleifuß schaffte ich es in Rekordzeit bis in den Warehouse District.
    Das Lenkrad umklammerte ich so fest, dass meine Knöchel weiß waren. Wenn ich nicht aufgepasst hätte, hätte ich es leicht verbiegen oder aus der Halterung reißen können.
    Es war so aufmerksam von Marjorie gewesen, meinem Vater die letzte Ehre zu erweisen. Marjorie schien mir überhaupt gerne in vielerlei Hinsicht behilflich sein zu wollen. Marjorie, die achthundert Jahre alte Vampirin, die die Politik verachtete.
    Warum war sie gekommen? Um zu sehen, wie ich mich hielt, unter all dem Druck, den sie aufgebaut hatte? Um meine Angst zu riechen? Um mich von ihrer Spur abzubringen?
    Ich hatte keine Ahnung. Aber ich würde es herausfinden.
    Ich hielt vor einem baufälligen Lagerhaus an, von dem ich wusste, dass es im Inneren schön und geräumig war, mit Tausenden von Büchern und Computern, die auf dem letzten Stand der Technik waren. Majories Bude. Ihr Nest. Wie eine verdammte Spinne.
    Ich machte mir nicht die Mühe zu klopfen, sondern stieß die großen Flügeltüren auf und stapfte hinein. Wie alle wichtigen Auseinandersetzungen in meinem Leben verlief auch diese eher enttäuschend. Marjorie war nirgends zu finden.
    Drinnen sah es aus wie immer: gedämpfte Beleuchtung, bequeme Stühle und Bänke, viele Konferenztische und Stühle, reihenweise Computer. Es herrschte eine Grabesstille (wirklich!)
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    und es roch nach Tonnen von altem Papier. Oh, und nach Staub natürlich.
    Und nach Möbelpolitur!
    Nun, Möbelpolitur würde mich nicht aufhalten. Ich würde ...

    Elizabeth.
    „Eric?", flüsterte ich. Die leise Stimme in meinem Hinterkopf, die vorher so schwach gewesen war, dass ich nicht erkennen konnte, wer es war, klang jetzt etwas lauter.
    Ich schnüffelte. Der blöde Zitronenduft der Politur war zu intensiv, aber... Ich schnüffelte weiter. Aha, na bitte! Jawohl, Sinclair war hier gewesen. Und war vielleicht immer noch hier. Ich erstarrte wie ein English Setter, der Witterung aufgenommen hatte, und folgte dann dem Geruch durch mehrere Türen und zwei Treppen in den nasskalten Keller hinunter.
    Auf den teppichbespannten Stufen machten meine Absätze kein Geräusch.
    Glücklicherweise, denn ich hatte genug damit zu tun, in fünfzehn Richtungen gleichzeitig zu gucken. War Sinclair tatsächlich die ganze Zeit über in der Stadt gewesen? Und wo hielt sie ihn fest, dass ich ihn kaum hören konnte?
    Was hatte sie mit ihm gemacht?
    Hier unten sah es gar nicht aus wie in einer Folterkammer. Hier sah es eher wie in einer alten, gut erhaltenen Bibliothek aus, bei der viel Geld in Bücher und Computer gesteckt wurde. Auch für Neonlicht schien Geld da zu sein und man begnügte sich nicht mit, sagen wir mal, Fackeln an der Wand.
    Ich war am Fuß der Treppe angekommen und drückte die große Tür vor mir auf. Hier unten zumindest sah es wie in einem Lagerhaus aus. Die Tür schwang scheppernd auf und der Geruch von Schimmel und Schweiß streifte meine empfindlichen königlichen Nasenflügel.
    Als Erstes sah ich Antonia in einem geräumigen Käfig - so einer, in den Dr.
    Lecter in Das Schweigen der Lämmer einge 109
    sperrt war. Sie rüttelte an den Gitterstäben und mir fiel ein, wie klaustrophobisch sie war. Ihr dunkles Haar war vom Schweiß verfilzt, ihr Gesicht blass. Sie stank zum Himmel und ihre Klamotten waren dreckig. Als sie mich sah, rollte sie die Augen wie ein Tier, das zur Schlachtung geführt wurde, und begrüßte mich, indem sie kreischte: „Hol mich hier raus!"
    Dann sah ich die Särge. Es waren zwei, mit Ketten verschlossen und geschmückt mit .. Waren das Rosenkränze? Ja. Dutzende Rosenkränze bedeckten fast jeden Zentimeter der Sargdeckel.
    Elizabeth.
    Ich rannte zu dem, der mir am nächsten stand, und warf erst die Rosenkränze herunter, dann zerrte ich an den Ketten, bis sie rissen und sich zwischen meinen Händen bogen. Ich wusste nicht, wie Marjorie sie hatte anbringen können. Vielleicht hatte sie Asbesthandschuhe getragen? Es war mir auch egal. Ich wollte ihn da nur noch rausholen, um zu sehen, was Hunger und Kreuze ihm angetan hatten.
    „Ich zuerst, ich zuerst, ich zuersssssst!"

    Ich öffnete den Deckel des Sarges und unterdrückte einen Schrei. Ja, es war Sinclair. Unglaublich runzlig, unglaublich alt. Eingefallen.

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