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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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Sieben Schritte, ein leises Scharren, dann zwei weitere Schritte. Es klang, als wäre mein gläsernes Ich um etwas herumgegangen. Aber nicht im Bogen, sonst wäre die kleine Drehung, durch die wahrscheinlich das Scharren entstanden war, nicht zu hören gewesen.
    Ich schaltete das Gerät ab. Stille. Nur dieses grauenerregende, unhörbare Schleichen der Angst war da. Ich blickte mich um. Sieben Schritte waren es gewesen. Der Keller war groß – wo hatten die ersten sieben Schritte hingeführt? Ich versuchte es links, wo das Regal mit den Weinen stand. Nach dem siebten Schritt trennten mich noch mindestens drei Meter von ihm. Von diesem Punkt aus zwei Schritte …
    Gewissenhaft sah ich mich um, aber ich fand nichts. Keinen Kratzer auf dem Boden, keine versteckte Falltür zwischen den Ritzen der Steinplatten auf dem Boden. Keinen Hinweis. Also wieder zurück zur Treppe.
    Halb rechts stand eine alte, vermoderte Truhe aus Korbgeflecht. Eine Hinterlassenschaft meines Vaters. Als ich dieses Haus in Sanderstead vor ein paar Jahren bezog, da hatte ich viele meiner geliebten Bücher in ihr verstauen können.
    Ich marschierte los. Vier, fünf, sechs, sieben Schritte. Genau vor meinen Füßen stand der Korb. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn. Warum ging ich nicht einfach nach oben, rief Dan an und ließ seine Leute das Haus auf den Kopf stellen? Still stand ich da, sah mich um. Keine zwei Schritte vor mir befand sich eine der Kellerwände, jene Wand mit den beiden rostigen, in die Mauer eingelassenen Eisenringen. Die Kiste versperrte mir den Weg dorthin. Ich drehte mich auf dem Absatz leicht zur Seite, ging dann an der Truhenecke vorbei auf die Wand mit den Ringen zu. Eins, zwei – aus. Fünfzig Zentimeter vor mir befand sich die Wand.
    Und nun spürte ich es so deutlich wie nie zuvor. Nein, es war keine Einbildung! Das alte Gemäuer vor meinen Augen war böse. Je näher ich ihm kam, um so klarer konnte ich es fühlen. Diese Wand strahlte Grauen aus. Lebendiges, kaltes Grauen hatte sich in ihr eingenistet; kroch durch die Ritzen, stierte mir feindselig entgegen.
    Starr vor Entsetzen stand ich da, fühlte das Unheil um mich herum wie eine erdrückende Last. Es fiel mir schwer, Atem zu schöpfen, weil etwas Furchtbares, Unsichtbares auf meiner Brust lag und mich zu ersticken drohte.
    Weiter! schrie eine Stimme in mir. Reiß dich los von diesem Bann! Zerre an den Ringen, drehe daran, tu irgendwas, damit sich die Tür öffnet, um das Entsetzen ausströmen zu lassen! Los! Du weißt doch, was dich erwartet! Weißt, daß es keine Täuschung ist!
    Ich streckte meine Hand aus. Das Eisen fühlte sich feucht und rauh an. Ich versuchte alles mögliche, drehte, zerrte an dem Ring. Das seltsame Rollen, das ich eben noch auf dem Tonbandgerät gehört hatte, blieb aus.
    Der zweite Ring! Ja, er war es! Die Fingerspitzen fühlten es, bevor sie ihn berührten; sie zuckten, bebten. Ich zog an dem Ring. Nichts. Jetzt! dachte ich. Jetzt muß es geschehen! Es ist die einzige, die letzte Möglichkeit!
    Fest umspannten meine Finger den Ring, drehten sich, verschoben den Bolzen, an dem er angeschmiedet war. Es knirschte leicht, dann gab es einen Ruck, und neben mir entstand ein breiter Sprung zwischen den Steinen des alten Gemäuers. Ich zog an dem Ring. Ein Geräusch, das klang, als rolle eine schwere Kugel über den Boden, ertönte, und die Tür rollte nach innen auf.
    Scheußlicher Gestank drang aus der schwarzen Öffnung heraus. Süßlicher Verwesungsgeruch und die Gerüche von Tod und Moder.
    Ich zog die Taschenlampe aus dem Gürtel, hielt sie in die schwarze Finsternis und knipste sie an. Sekunden später prallte ich entsetzt zurück. Da war der große Stein, an den ich mich erinnert hatte! Er stand inmitten einer vermoderten Kellergruft, die vor Jahrhunderten wohl einmal als Verlies gedient hatte. Zwei bleiche Skelette lagen angekettet in der Nähe der rechten Seitenwand am Boden. Sie sahen aus, als wollten sie fortkriechen, und der Tod habe sie dabei überrascht. Es war ein scheußliches, widerwärtiges Bild. Wie mußten diese Kreaturen hier verkommen sein! Langsam, unendlich langsam waren sie gestorben. Krank und bei lebendigem Leib bis auf die Knochen abgemagert, verhungert.
    Es sah aus, als würden sie auf den großen, rötlich schimmernden Sandsteinquader zukriechen, auf dem der schrecklich zugerichtete tote Körper des Sergeant Potter lag …
    Fassungslos, zitternd stand ich da, starrte auf dieses grauenhafte Bild.
    „Mein Gott,

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