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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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und weiß angeblich nicht, wie sie dorthin gekommen ist; Inspektor Condell, eigentlich ein harter, zäher Brocken, bricht zusammen und wird jeden Tag schwächer. Sein Sergeant kümmert sich um ihn, verbringt eine Nacht in Sanderstead und wird danach nie mehr gesehen. Und heute stirbt dieses Mädchen, Haleys Frau.“
    Der dicke Ben Wolters hinter dem Schreibtisch lehnte sich zurück und stellte den Ventilator auf dem Tisch so ein, daß ihm der kühle Luftzug genau ins Gesicht blies.
    „Das wäre ’ne Schlagzeile“, sagte er gedehnt. „Das Monstrum kommt aus Sanderstead! Evening Post sagt Ihnen, wo das gläserne Ungeheuer wohnt! Gute Sache! Aber außer den bekannten Dingen brauchten wir noch was Neues. Oder ein gutes Foto. Irgendwas, das die Leute von den Stühlen reißt. Die bekannten Tatsachen allein genügen nicht.“
    „Man sollte mal ins Friedhofsregister sehen“, schlug Ascorda nachdenklich vor. „Vielleicht gab’s mal irgendeinen Henker oder Richter, der dort begraben ist. Wäre doch was: Ist Richter Miller das Ungeheuer? Irgendwas Interessantes liegt bestimmt da unter der Erde. Am besten, ich schwinge mich in den Wagen und fahre mal ’raus.“
    „Wenn’s keinen anderen Knüller gibt, bringen Sie mir ein Foto von diesem Scotland Yard-Inspektor. Aber der Mann muß wirklich zum Erbarmen aussehen.“
    Ascorda grinste, griff nach seinem Hut, der auf einem Haufen ungelesener Manuskripte lag, und verließ das Zimmer seines Chefs.
    Er fuhr zu Stella, parkte seinen Wagen am gewohnten Platz und betrat das Haus wieder durch den Hintereingang. Stella saß auf dem Balkon und malte mit Kohlestiften an einem Bild.
    Sie erschrak, als Pete plötzlich hinter sie trat. „Ich habe dich gar nicht ’reinkommen hören“, sagte sie.
    Er beugte sich über sie, küßte ihren schlanken, geschwungenen Nacken. „Der Henker geht um!“ flüsterte er dabei mit grollender Stimme. „Er kommt, um mit Stella zu flirten.“
    „Schön“, erwiderte sie. „Hast du wirklich Zeit, Pete?“
    Er schüttelte den Kopf, sah ihr über die Schulter.
    „Surrealistisch“, sagte er auf die Kohlezeichnung deutend. „Ich wußte gar nicht, daß du so begabt bist, Baby. Du solltest mehr malen.“
    „Gefällt’s dir?“
    Er nickte. „Warum kriecht dem Mann eine Schlange aus dem Mund? Hast du dir was dabei gedacht?“
    Stella überlegte eine Weile. Still saßen sie da, starrten das Bild in ihren Händen an. „Ich glaube, er soll die Lüge verkörpern, Pete. Wie gefallen dir die Augen?“
    Sie sahen aus wie zerbrochenes Glas. „Die Risse sind zu dick. Du solltest für diesen Stil die Kohle in die Ecke werfen und etwas suchen, mit dem du die Feinheiten besser ausmalen kannst. Du hast wirklich Talent, Stella.“
    Stella sah ihn hintergründig an. Ihr Lächeln ließ ihn fast seinen Job vergessen. „Ich weiß“, sagte sie warm. Und dann: „Hast du wirklich keine Zeit, Pete?“
    „Wirklich nicht. Ich kam nur gerade hier vorbei, und da dachte ich, siehst mal nach deinem Mädchen. Ich fahre nach Sanderstead. Ich glaube, da liegt das Geheimnis allen Übels.“
    „Du wirst auf dich aufpassen, ja?“
    „Versprochen. Außerdem tut er mir nichts. Ich bin ja kein Mörder.“ Ascorda stand auf, lächelte. „Noch nicht …“, sagte er leise.
     

     

Kühle, modrige Luft schlug mir entgegen, als ich die Kellertür aufzog. Ich drehte den Lichtschalter an.
    Drei schwache Glühbirnen verbreiteten trübes, gelbliches Licht. Eine auf der Treppe, zwei unten im Keller.
    Ich schaltete das Bandgerät an. Tack! kam es aus dem Lautsprecher. Dann wieder: Tack!
    Zwei Schritte. Ich tat das gleiche. Erst links, dann rechts. Tack! Wieder links. Ich fror plötzlich, spürte das Unheil kommen, fühlte es fast mit den Händen. Der dumpfe Modergeruch wurde stärker. Nie zuvor war er mir aufgefallen. Aber jetzt, auf meinem Weg nach unten, waren meine Sinne gespannt, registrierten alles. Jede Kleinigkeit.
    Ich hörte mein Herz dumpf schlagen. Tack, tack, tack! Dünne Eisnadeln stachen mir ins Gehirn, flößten mir wirre, verrückte Gedanken ein. Das Grauen schlich umher.
    Fühlbar und heimtückisch. Die Mauern strömten es aus, die Wände, der Fußboden. Das Böse steckte in diesem alten Gestein wie ein Fluch. Auf alle Ewigkeiten würde es zu diesem Haus gehören.
    Die letzte Treppenstufe. Die feuchte Kälte hier unten tat weh, quälte. Ich blieb stehen, zählte die Schritte, die das Band aufgezeichnet hatte, und die nun als blechernes Geräusch wiedergegeben wurden.

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