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060 - Der Henker von London

060 - Der Henker von London

Titel: 060 - Der Henker von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter T. Lawrence
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gegenübertreten, keine personenlose Stimme, die einem Grauen einflößte, weil sie zu keinem Körper gehörte.
    Arwanus würde überrascht sein, mich hier zu sehen. Die Furcht, daß sein neu entstandener Körper, der aus den Qualen vieler Frauen und Männer gediehen war, wieder zerstört werden könnte, würde ihn feiger als eine Ratte machen. Und er würde mir nicht entkommen!
    Ich hatte mich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, starrte zu den beiden Knochenmännern, die in stummer Anklage auf dem Boden lagen. In der Rechten hielt ich das Messer. Hoffentlich war meine Hand stark genug! Langsam hob ich den Arm in die Höhe, spannte die Muskeln, bis es in den Fingergelenken knackte. Es würde genügen.
     

     
    Die Stille im Büro der Sonderkommission versickerte wie ein dünnes Rinnsal im Sand. „Potter!“ rief Dr. Hall entgeistert aus. „Dies ist ja nur noch die Stimme des Sergeants und seine Augen!“
    Ein junger Beamter, der etwas weiter hinten stand, stürzte kreidebleich aus dem Zimmer. Vom Flur drangen seine hysterischen Schreie herein.
    Potter bewegte leicht den Arm.
    „Und das?“ höhnte er. „Ist das nicht Potter?“
    Dan Reed starrte den ausgehöhlten Rumpf des Sergeants an und schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er mit heiserer Stimme. „Aber gleich, wer in diesem Körper steckt, knöpfen Sie den Mantel zu!“
    Potter kicherte belustigt. Dann geschah etwas Grausiges: Während seine Lippen unter dem Gelächter zitterten, fiel der Körper mit einem dumpfen, hohlen Geräusch wie eine Marionette in sich zusammen. Und doch kicherte er noch.
    „Das ist ja schrecklich“, flüsterte Dr. Hall. „Welches Wesen steckt hinter so viel Bösartigkeit? Wer hat eine solche Kraft, einen völlig toten Körper lebend erscheinen zu lassen?“
    Das zusammengesunkene Häuflein Haut und Knochen auf dem Boden öffnete die Augen, lächelte.
    „Ich bin die alte und die neue Welt“, flüsterte die Stimme, veränderte während des Sprechens den Klang, wurde sanft, einlullend wie ein wunderschönes Lied. „Haß hat mich geboren, Haß hat mir einen Körper gegeben. Haß und Gerechtigkeit. Ich werde wieder neben euch leben können, werde richten und lachen können. Und werde stark sein …“
    Reed starrte zu Potter hinunter, dessen Augen sich schlössen, dessen Lächeln erstarb. Die Stimme schwebte im Raum. Irgendwo. Sie schien von überallher zu kommen.
    „Ich habe einen festen Körper“, sagte sie. „Diesem Stück Fleisch dort am Boden habe ich nur ein wenig meiner Kraft gegeben. Das andere brauche ich für mich, für meinen neuen Körper, von dem ich mich nicht mehr lösen kann. Noch kann ich mit euch sprechen, aber ich bin weit fort, und die verschenkte Reserve wird bald verbraucht sein …“ Die sanfte Stimme stockte plötzlich, dann sagte sie hastig: „Mein Kraftspender ist zäh. Ich spüre seinen Drang, mich zu vernichten. Ich muß mich nun ganz auf meinen eigenen Körper konzentrieren. Er – er …“
    Die Stimme zerrann, schwieg. Dan Reed wische sich den Schweiß von der Stirn.
    „Wie winzig und erbärmlich wir doch sind“, flüsterte er dann in die beklemmende Stimme hinein. „Wir können nichts tun. Gar nichts.“
     

     
    Ich warte in der Dunkelheit. Still und geduldig stehe ich gegen den Steinklotz gelehnt da, ruhe innerlich, sammle meine Energie für den einzigen Stoß, den ich mit dem Messer ausführen werde.
    Komm, Arwanus! Komm, damit ich dich töten kann! Ich habe schon viele getötet. Unbewußt, weil du es gewollt hast. Aber deine Macht ist menschlich geworden. Du mußt schnell sein, stark, gewandt. Du mußt ein Messer, oder eine Pistole haben, Arwanus, oder du bist verloren.
    „Guten Abend, John …“
    Ich zucke zusammen. Ich hatte ihn nicht kommen gehört. Er war geschlichen. Ja, er war ein Mensch geworden! Ein hinterhältiger, schleichender Mensch.
    Ich sehe seine schlanke Gestalt ins matterleuchtete Rechteck der offenen Tür treten, umfasse das Messer fest mit der rechten Hand.
    „Guten Abend, Arwanus.“
    Die Silhouette zerfließt, als sie sich nähert. Ich höre ihn lachen. Diese Stimme, mein Gott, dieses Lachen kommt mir so bekannt vor, so entsetzlich bekannt!
    „Du willst leben“, sagt die Stimme ruhig. „Und ich möchte es auch. Ich habe dich unterschätzt, John. Du hast ein zähes Leben.“
    Er bleibt stehen. Einen Meter zu weit für mich. Ich rühre mich nicht, ich kann warten. Nichts eilt in einem bedeutungslosen Leben.
    „Warum willst du leben, Arwanus? Warum töten

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