0600 - Die unsichtbare Grenze
desto fester glaubte er an ihre Richtigkeit. Wer kannte diesen wuchtigen, mächtigen Kugelleib mit den kühn hervortretenden Äquatorwülsten besser als er? Wer konnte sich rühmen, in einem Raumriesen dieses Typs mehr Billionen von Kilometern, mehr Zehn- und Hunderttausende von Lichtjahren zurückgelegt zu haben als Perry Rhodan?
Auffällig war ihm die Ruhe der Menge hinter ihm. Obwohl die Leute Agenten der SolAb waren, von denen man nicht erwarten konnte, daß die Identifizierung von Raumschifftypen ihre starke Seite sei, mußte es doch den einen oder anderen unter ihnen geben, der längst erkannt hatte, daß es sich bei dem landenden Fahrzeug um eine Einheit der Superschlachtschiffklasse handelte. Besonders Reginald Bulls Schweigen war auffallend.
Plötzlich fühlte Perry Rhodan sich von dem unangenehmen Gefühl beschlichen, er habe seine Theorie zu spät konzipiert.
Andere waren anscheinend schon vor ihm auf dieselbe Idee gekommen - und hatten ihre Konsequenzen daraus gezogen. Er blickte sich kurz um und sah, daß die Mehrzahl der Männer hinter ihm nicht mehr in den blauen Himmel hinauf starrte.
Aus über fünf Kilometern Höhe wurde die in riesigen Lettern ausgeführte Aufschrift auf der unteren Halbkugel des Riesenschiffes allmählich lesbar. Roi Danton, der Mann mit den schärfsten Augen, stieß plötzlich einen überraschten Ruf aus und hielt die Hand an die Stirn, um noch besser sehen zu können.
Summend und brummend in der Hülle seiner Feldtriebwerke senkte sich das riesige Schiff auf die Landefläche zu. Der Wind trug plötzlich den Geruch von Ozon mit sich, als der Einfluß der Feldgeneratoren die Luft teilweise ionisierte.
Perry Rhodan musterte seine Begleiter. Atlan, der den Kopf in den Nacken gelegt hatte, um die Landung besser beobachten zu können, wurde plötzlich blaß. Er wandte sich dem Freund zu. Die Lippen bewegten sich, als er etwas zu sagen versuchte, aber der Schreck hatte die Stimmbänder lehmgelegt. Waringer hatte das Unglaubliche inzwischen ebenfalls erkannt. Er blickte mit einer Mischung an Verwunderung und Befriedigung vor sich hin und murmelte: „Ich hab's doch gesagt...!"
Der Augenblick der Entscheidung war gekommen. Ein letztes Mal sah Perry Rhodan auf. Die riesigen roten Lettern waren jetzt mühelos lesbar. Jedem der Umstehenden mußte die Unglaublichkeit dieses Vorgangs inzwischen klargeworden sein, und dennoch ließ sich aus der Menge kein Laut hören. Rhodan hielt es nicht mehr für nötig, sich umzusehen. Er wußte, wie es hinter ihm aussah.
Das Summen wurde lauter und dröhnte in den Ohren. Mit einer Behutsamkeit, die dem riesigen Koloß niemand zugetraut hätte, senkte sich das große Schiff auf die Landefläche. Höher als die Gipfel der Berge ringsum ragte es in den Himmel. Wenn die Sonne über Terrania längst untergegangen war, würde sie auf der oberen Kugel des Raumriesen noch lange leuchten. Mehr als fünf Kilometer von den Wartenden entfernt, berührte der Südpol des Kugelleibes um ein Haar die glatte Fläche des Landefeldes.
Rings um den gewaltigen Schiffskörper hatten sich die hydraulischen Standbeine zu Boden gesenkt, jedes einzelne mächtiger als der Turm einer mittelalterlichen Kathedrale.
Trotz der Gefahr, in der er schwebte, empfang Perry Rhodan Begeisterung. Dies war sein Schiff. In wie vielen Exemplaren es im Augenblick existieren mochte, schien unwichtig. Dies - und jenes andere dort drüben - sie waren beide sein Schiff.
Die MARCO POLO ...
4.
Es kam ihm zu Bewußtsein, daß Reginald Bull ihn beobachtete.
Die Triebwerke der MARCO POLO verstummten allmählich. Das rauschende Summen verklang. Zum zweitenmal hob Rhodan den Arm. Deutlich, so daß jeder es hören konnte, sprach er in den Minikom: „Rhodan an Freiwache MARCO POLO. Bitte melden Sie sich!"
Der Empfänger blieb stumm. Er wiederholte den Ruf, aber auch diesmal erzielte er keinen Erfolg. Da wußte er, daß sich die Falle geschlossen hatte. Er erwiderte Bullys Blick.
„Wer du auch immer sein magst... diesen Verrat wirst du mir büßen!"
Bull schluckte hart. Er schien etwas sagen zu wollen, aber die Drohung, die aus Rhodans Augen leuchtete, verschlug ihm die Sprache. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen Lippen und wandte mit einem hastigen Ruck den Kopf zur Seite, als könne er den anklagenden Blick nicht länger ertragen. In diesem Augenblick wurde unter dem Äquatorwulst des Schiffes, mehr als einen Kilometer hoch über den Köpfen der Zuschauer, die
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