0602 - Brutstätte des Bösen
umfaßte ihre Hüften und drückte sie auf die Öffnung zu.
Rosa wehrte sich nicht. Sie war sehr schlank. Es bereitete ihr keine Mühe, aus dem Fenster zu klettern. Glenda mußte sich da schon mehr drehen und wenden. Sie hoffe nur, daß Rosa nicht verschwunden war. Das Mädchen wartete wie eine abgestellte Puppe und schaute aus leeren Augen in die Gegend.
Vor ihr kam Glenda auf, lächelte und nahm ihre Hand. »Komm, wir gehen weg.«
»Wohin?«
»Wir warten noch auf einen Freund.«
Rosa ließ sich willig mitziehen. Glenda wußte auch nicht, wohin sie laufen sollte. Als nächstes Ziel hatte sie sich ein schmales Stück Grün ausgesucht, eine Buschreihe, die von hohen Bäumen überwuchert wurde und wie eine Oase wirkte.
Tatsächlich befand sich dort ein kleiner Tümpel, auf dessen Oberfläche Rosa starrte. Ein weiterer Weg führte tiefer in das Gelände hinein. An der rechten Seite wurde er von einer Bruchsteinmauer begrenzt. Glenda glaubte, am für sie sichtbaren Ende des Weges hohe Mauern zu sehen. Die Richtung stimmte, dort konnte das Kloster stehen.
Allein würde Glenda nicht hingehen, sie wollte zunächst auf John Sinclair warten.
Der kam noch nicht. Sie hörte auch keine verdächtigen Geräusche und kümmerte sich um Rosa, die Glendas Lächeln nicht erwiderte, dafür dorthin schaute, wo das Kloster liegen müßte.
»Hast du das Böse gespürt?« fragte Glenda.
»Si, es ist freigekommen. Das Höllentor ist offen. Das Böse hat sich einen Weg gesucht.«
»Hat es dich gefunden?«
Rosa ging zurück, als hätte sie etwas Schlimmes zu hören bekommen. »Nein, nein, nicht mich, obwohl sie es immer sagen. Alle sagen es. Sie sehen mich als das Mädchen mit dem bösen Blick an.«
»Du hast ihn aber nicht?«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein, ich habe ihn nicht. Es ist etwas anderes, das ich habe. Ich spüre, wenn etwas schlimm wird. Unter meinen Händen sind die Rosen verkohlt. Sie fielen als schwarzer Staub zu Boden, das passierte mir schon als kleines Mädchen, und hinterher starb unser Pfarrer. Die Leute im Dorf mögen mich nicht. Sie meiden mich, sie drohen mir, sie hassen mich…«
»Wo wohnst du denn?«
Rosa hob die Schultern. »Überall. Manchmal gehe ich weg und führe Touristen durch Weinberge. Im Winter lebe ich in einer Hütte. Wenn es zu kalt ist, gehe ich in das Kloster.«
»Dort hat man dich aufgenommen?« wunderte sich Glenda.
»Nein, aber es gibt Padre Marinus. Er gibt mir oft etwas zu essen und zu trinken, wenn ich hungrig und durstig bin. Er ist ein sehr lieber Mensch.«
»Ist er der Abt?«
»Sein Stellvertreter.«
»Wer ist der Abt?«
»Das ist Bruder Rudolfo. Ich mag ihn nicht. Er kann so hart und grausam schauen. Er wollte einmal den Bann über mich sprechen. Da bin ich weit gelaufen. Manche Brüder sind schlimm, aber sie wissen alles von dem Höllentor.«
Glenda hatte sich auf einen Stein gesetzt. Er lag im Schatten, hier war die Hitze etwas erträglicher. Ihr gegenüber saß Rosa. »Bitte, erzähl mir mehr darüber.«
»Das kann ich nicht, das darf ich nicht.«
»Hat man es dir verboten?«
»Nein, es ist schlimm.«
Glenda gab ihr durch ein Nicken recht. »Ja, es ist schlimm, aber es ist nicht so schlimm, als daß wir es nicht schaffen könnten, den Fluch zu brechen. Das hat mir auch Padre Georgis gesagt, bevor er starb.«
»Du… du kennst ihn?« stieß das Mädchen hervor.
»Ich lernte ihn auf dem Bahnhof kennen.«
Fahrig strich Rosa eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich… ich habe ihn auch gekannt und ebenfalls gemocht. Er war immer gut zu mir. Er ist gegangen, weil er Hilfe holen wollte. Er sagte, daß es jemand gibt, der das Tor wieder verschließen kann. Er hat einen Traum gehabt, er sah den Mann mit einem Silberkreuz, das sehr mächtig sein muß.«
»Den kennst du, Rosa.«
Sie überlegte einen Moment, bis sie die Lösung hatte. »Ist es… dein Begleiter?«
»Ja, ich holte ihn.«
Da schlug Rosa die Hände vor das Gesicht. In ihre Handflächen flüsterte sie die nächsten Sätze: »Es ist einfach unwahrscheinlich. Ich kann es nicht fassen.«
Glenda berührte sie, die Hände sanken wieder nach unten. Rosas Gesicht wirkte noch schmaler, die Haut blasser und fast schon durchsichtig. Nur die großen Augen fielen auf. Die Lippen waren kaum zu erkennen, dennoch lächelte sie. »Vielleicht wird dann alles gut.«
»Aber nur, wenn du uns hilfst, Rosa.«
»Wie… wie kann ich das?«
»Du mußt mir erzählen, was es mit dem Höllentor auf sich hat. Wir müssen
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