0605 - Das Gespenst vom Tower
ab.« Jesus di Mendez Saragon kümmerte sich nicht um den Mann, er stolzierte wie ein Pfau auf das Kassenhaus zu und nahm auf dem alten Drehstuhl Platz, dessen Polster verschlissen war. Zuvor legte er ein Taschentuch auf den Sitz, weil er seinen hellen Anzug nicht unbedingt beschmutzen wollte.
Geld war für ihn schon immer wichtig. Er zog die Schublade auf.
Scheine und Hartgeld lagen durcheinander. Es war nicht viel, aber mehr als in den heißen Tagen.
Seine Augen bekamen einen harten Glanz. Sie erinnerten dabei selbst an Geldmünzen, denn für ihn zählte nur der blanke Mammon, was eigentlich schrecklich war.
Mit flinken Fingern zählte er die Summe. Das Foyer blieb leer, kein Besucher lenkte ihn ab. Er dachte zudem nicht an eine Gefahr und auch nicht daran, sich einmal umzudrehen und zur Treppe zu schauen. Wenn da jemand angeschlichen kam, würde er ihn nicht hören, denn die Treppe war stabil, da knarrte nichts.
Zuerst war er nur ein Schatten. Dann aber, als er die ersten Stufen hinter sich gelassen hatte, kristallisierte er sich deutlicher hervor.
Eine unheimliche Gestalt, die nur einen Lendenschurz um den schmutzigen braunen Körper gebunden hatte, deren Haare in die Höhe standen wie die Zinken eines Kamms. Zwischen den Lippen hatte er einen langen, weißen Knochen.
Blut klebte an seinen Händen. An einigen Stellen war es noch nicht getrocknet und hatte feuchte Bahnen hinterlassen. Die Augen waren weit geöffnet, das Weiße schimmerte. Im Vergleich dazu wirkten die Pupillen wie kleine schwarze Kugeln.
Als er auf den Rücken des Geld zählenden Mannes starrte, zuckte es an seinen Wangen.
Noch leiser als bei den ersten Schritten ging er die Stufen der Treppe hinab.
Der Kinobesitzer war ahnungslos. Die Scheine hatte er jetzt gezählt und sie aufeinandergelegt. Er klemmte sie mit einem Gummiband fest und beschäftigte sich nun mit den Münzen. Ihr Klimpern war für ihn der reinste Glockenklang. Jeden Penny zählte er genau nach und legte die Münzen getrennt zusammen.
Da war tatsächlich einiges zusammengekommen, nicht viel, aber das würde sich ändern. Er sehnte den Regen herbei, da gingen die Leute öfter ins Kino, wo sie herumschmusen konnten und nicht durch mieses Wetter gestört wurden.
Dem Zombie wurde es leicht gemacht. Das Klimpern der Münzen übertönte seine schleifenden Schritte. Mateo blieb hinter dem Mann stehen und wartete noch.
Jesus di Mendez Saragon, der Mann aus Mexiko, brummte zufrieden vor sich hin, als er die Münzen zusammenschaufelte, sie in einen kleinen Ledersack fließen ließ und danach die Kasse schloß, in der sich nur wenig Wechselgeld befand.
Das Schließen der Kasse war für den Zombie gleichzeitig das Signal, noch näher an sein Opfer heranzutreten.
Das hörte der Kinobesitzer!
Er saß plötzlich unbeweglich, wie jemand, der darüber nachdachte, ob er etwas gehört hatte oder nicht. Aber wer konnte das sein?
Sehr langsam hob Saragon den Kopf und bewegte schnüffelnd seine Nasenflügel, denn er hatte einen Geruch wahrgenommen, der ihm überhaupt nicht gefiel.
Es roch nach Fäulnis und Feuchtigkeit, stank beinahe wie in einer alten Gruft.
Dann hörte er das Röcheln.
Vergeblich schaute er gegen die Scheiben, weil er dort erkennen wollte, ob sich die Gestalt darin widerspiegelte.
Der Zombie schlug in dem Augenblick zu, als sich der Kinobesitzer auf seinem Stuhl herumdrehte.
Er hatte den Knochen genommen. Für einen Moment noch bekam Saragon den Anblick des Schrecklichen mit, er nahm das Bild auf, wie ein trockener Schwamm das Wasser.
Dann raste der Knochen zum zweitenmal auf ihn zu. An einer Seite war er geschliffen worden und dementsprechend scharf. Er spürte noch den Schmerz, Blut sickerte in seine Augen. Der Mann fiel bereits zur Seite; er merkte nicht, wie er auf den Boden schlug.
Nun hatte Mateo freie Bahn…
***
Hamburger und Cola hatten ihm geschmeckt. Anchil Nunoz war zufrieden, als er das Schnellrestaurant verließ. Er blieb vor dem erleuchteten Eingang noch einmal stehen, reckte und streckte sich.
Dann strich er durch sein Gesicht und schlenderte nach rechts zu seinem Arbeitsplatz. Große Lust, sich wieder in die Kabine zu hocken, hatte er keine. Sein Chef hätte die restlichen Stunden dort verbringen müssen, um einmal selbst zu erleben, wie Menschen leiden konnten, wenn sie nichts zu tun hatten.
Ein Wetterumschwung lag in der Luft. Nunoz rechnete bald mit den ersten Regenschauern, die von gewaltigen Herbststürmen begleitet wurden.
Da war
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