0608 - Das Böse kommt
sollten wir alle denken, auch du, Fremder.«
»Ich werde deinen Rat beherzigen. Doch eine Frage habe ich noch. Wie komme ich in den Ort?«
Nein, sie floh nicht, obwohl ihre hastige Bewegung darauf hingedeutet hatte. »Du… du … willst dich ihnen stellen?«
»Deshalb bin ich hier.«
»Aber ich warnte dich…«
»Danke, die Worte habe ich auch behalten. Ich möchte nur von dir wissen, wie lange ich noch zu gehen habe.«
»Das ist nicht viel. Du willst ja nicht in die große Stadt London. Wenn du in die nächste Senke hineinschreitest, wirst du die Häuser schon sehen können, aber sei auf der Hut. Nicht alle, die freundlich tun, sind auch deine Freunde, nicht alle, die dir ein Glas Wasser anbieten, wollen deinen Durst löschen. Vieles ist gefährliche Hinterlist, daran solltest du denken.«
Ich bedankte mich für den Ratschlag und schaute noch zu, wie mich die alte Frau segnete.
Dann ging ich.
Daß der Schäfer zurückkam, sah ich nicht mehr, da hatte mich die Nacht längst verschluckt…
***
»Verräterin!«
Eine Stimme zischte das Wort, das von Suko und Femina zugleich gehört wurde.
Beide blieben stehen!
Nichts war zu sehen. Nur die Schatten der ersten Häuser eines Ortes, der Wrexham hieß, wie der Inspektor von seiner Begleiterin wußte, deren Hand er noch immer umfaßt hielt und auch das Zittern mitbekam, das dieses eine Wort ausgelöst hatte.
»Sie… sie haben mich gesehen, Suko. Sie wissen jetzt Bescheid, daß ich hier bin.«
»Na und?«
Femina trat einen Schritt zurück. »Wie kannst du so etwas fragen? Es wird grauenhaft werden.«
Suko winkte ab. »Noch bin ich bei dir, aber ich will wissen, weshalb man dich so bezeichnet hat?«
Sie senkte den Kopf. »Dieser Ort gehört dem Lord of Wrexham. Hier sitzen seine Spitzel, hier hocken die Menschen, die ihm zu Willen sind. Manche freiwillig, andere nicht.«
»Gibt es auch Mutige?«
»Wenige nur.«
»Dann werden wir sie finden.« Suko wollte weitergehen, Femina aber hielt ihn fest.
»Nein, Suko, gib dich keinen falschen Hoffnungen hin. Es hat keinen Zweck, das mußt du mir glauben. Wenn du sie findest, werden sie dir nichts sagen.«
»Vielleicht. Allerdings bin ich davon überzeugt, daß es einen Grund gehabt haben muß, wenn wir schon in der Nähe der kleinen Stadt gelandet sind.«
»Es gibt einen Grund.«
»Und?«
»Der Lord und seine Leute. Sie sind die Grausamen, ihm gehört das Dorf. Er will alles, weil er glaubt, daß Lorenzo hier sein Wissen aufgezeichnet verborgen hält.«
»Wissen über die Templer?«
»So ist es.«
»Wunderbar«, sagte Suko, »dann werden wir es suchen. Du kennst dich aus, Femina, wo könnte er…?«
»Nein, ich kenne mich nicht aus. Lorenzo hat hier gelebt und auch geforscht, aber wo er…«
»Die Kirche«, sagte Suko. »Es ist ein Ort, wo sich das Böse nicht halten kann, ein Ort, den es meidet.«
»Zerstört, niedergebrannt. Bis auf die Mauern, seine Taten machen vor nichts Halt.«
Suko krauste die Stirn. Das sah nicht gut aus, was Femina ihm da berichtet hatte. Überhaupt fühlte, er sich unwohl in seiner Haut. Erstens, weil er nicht wußte, wo sich sein Freund John Sinclair befand – trotz intensiver Suche hatte er ihn nicht gefunden – und zweitens, weil ihm alle fremd und feindlich gesinnt waren.
Hier schien man nur darauf zu lauern, daß er einen Fehler beging und die andere Seite zuschlagen konnte.
Der Ort lag vor ihnen.
Ein normales Dorf, eingetaucht in die tiefe Finsternis der Nacht, die von keinem Lichtschein durchbrochen wurde. Hinter den Mauern der kleinen, oft schiefen und brüchig aussehenden Häusern versteckten sich die Bewohner, damit sie nicht in Gefahr gerieten, von ihrem Herrn und Meister entdeckt zu werden.
Ein Ort, der unter einer Glocke der Angst lag…
Das wußte auch Femina, die sich eng an Suko drängte, als sie in das Dorf hineinschritten. »Kennst du das Gefühl, das man haben kann, wenn man weiß, daß alles vorbei ist?«
»Nein, aber wie meinst du das?«
Femina schüttelte sich, als würde sie frieren. »Das Böse ist einfach zu stark geworden. Es hat sich immer mehr verdichtet, das spüre ich genau, Suko.«
»Du denkst an den Lord?«
»Und an den, der hinter ihm steht. Der Teufel ist überall. Ich sehe ihn nicht, aber ich kann ihn fühlen. Das Böse streicht um uns herum wie ein schlimmes Gift.«
Suko hütete sich, auch nur darüber zu lächeln. Er selbst kannte diese Art von Feeling. Sensible Menschen, die öfter im Mittelpunkt einer Gefahr steckten, nahmen
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