0608 - Das Böse kommt
auch nicht gehen!« erklärte sie trotzig.
»Das ist sehr mutig von dir, meine Freundin, sehr mutig, aber er ist stärker.«
»Lieber sterbe ich.«
Der Mann lachte zahnlos. »Das ist nicht so einfach. Auch ich hatte sterben wollen, als die Kirche verbrannte und die Häscher auch aus dem Pfarrer eine Fackel machten, dann habe ich es mir überlegt, und ich bin froh, es getan zu haben. Ich habe auch oft an die Worte des weisen Lorenzo gedacht, der immer sagte, daß es keine Lösung sei, wenn man sein Leben, das Gott geschenkt hat, einfach fortwirft.«
»Uns geht es um ihn, Brian.«
»Lorenzo?«
»Deshalb sind wir hier. Ich habe einen Freund mitgebracht. Er stammt aus einem fernen Land, er weiß viel, aber nicht genug – leider.«
Brian Mason richtete seinen Blick auf Suko. »Du bist gekommen, um Lorenzos Geheimnis zu erfahren?«
»Ich kann es nicht leugnen.«
»Dann möchte ich wissen, wie du zu den echten Templern stehst. Keine Lügen, ich würde es bemerken.«
»Es sind meine Freunde«, erwiderte Suko schlicht.
Brian Mason schaute Suko lange und intensiv in die Augen. Nicht einfach bei diesem Licht, und Suko hielt dem Blick dieses außergewöhnlichen Mannes stand.
Wie ein Druck lag das Schweigen über den Menschen. Wenn der alte Küster ihm vertraute, hatte Suko gewonnen. Nur selten war er dermaßen intensiv und prüfend angeschaut worden wie in dieser Minute, die sehr lang werden konnte.
Plötzlich nickte der Mann. »Ja«, sagte er. »Ja, das ist es gewesen. Du hast mich nicht enttäuscht. Ich sehe es in deinen Augen, ich lese es in deiner Seele, mein Freund. Du bist tatsächlich jemand, der den Templern wohlgesonnen gegenübersteht.«
»Wie ich dir schon sagte, es sind meine Freunde.«
»Alle?«
»Nein, Brian. Nicht die, die dem Dämon Baphomet dienten. Sie betrachte ich als Feinde.«
Der Behinderte lächelte. »Ich bin ein Krüppel«, urteilte er über sich selbst. »Ja, ich bin ein Krüppel. Man hat mir zwar meinen Körper, aber nicht meinen Geist nehmen können. Der Körper ist tot, das Gehirn aber lebt weiter. Ich habe Zeit gehabt, nachzudenken, viel Zeit…«
Femina mischte sich ein. »Lorenzo war des öfteren bei dir, Brian. Er hat es mir gesagt, auch ich kam zu euch…«
»Lorenzo ist tot, Femina!«
»Aber«, sagte Suko, »er hat ein Vermächtnis hinterlassen. Bestimmte Aufzeichnungen, die unbedingt der Lord haben will. Aber er darf sie nicht bekommen. Sie würden ihm den Weg zu irgend etwas zeigen – nun…«, Suko hob die Schultern. »Ich weiß nicht, wohin. Ich weiß nur, daß es sehr wichtig für diese Leute ist.«
»Forschungen«, flüsterte der Behinderte.
»Mit einem Ergebnis«, erklärte Suko. »So jedenfalls sehe ich es. Davon muß ich ausgehen.«
Brian Mason spitzte die Lippen und spie zielsicher einen Strom Tabaksaft in eine auf dem Boden stehende Schale. »Warum«, nuschelte er, »warum fragt ihr alle immer nur mich?«
»Weil du mit Lorenzo oft genug zusammen gewesen bist«, erklärte Femina. »Nur du kannst es wissen.«
Mit der flachen Hand schlug er auf die rohe Tischplatte. »Aber ich besitze nicht sein Wissen. Mein Geist ist zu einfach. Ich hätte diese Dinge nie begriffen.«
»Das glauben wir dir«, sagte Suko. »Aber Lorenzo hatte Vertrauen zu dir. Er wird mit dir über seine Arbeiten gesprochen haben. Wir rechnen damit, daß er dir Hinweise geben konnte, wo diese Unterlagen eventuell zu finden sind.«
»Sag nichts!« mischte sich Thelma ein. »Tu mir den Gefallen und halte den Mund.«
»Weiß ich denn etwas?«
Thelma kreischte, als sie lachte. »Was weiß ich denn, was ihr ausgeheckt habt, wenn ihr zusammen gesessen habt. Wie die Verschwörer kamt ihr mir vor. Die Leute haben sogar über euch geredet, getuschelt haben sie hinter eurem Rücken.«
Brian Mason winkte ab. »Was, Thelma, gehen mich denn die Leute an? Gar nichts, überhaupt nichts. Es sind Irre darunter. Viele Feiglinge und Hintergeher. Schau sie dir an, wenn du durch Wrexham gehst. Schau sie dir nur genau an. Sie ducken sich, sie haben…«
»Aber sie leben!« schrie Thelma. »Sie leben sogar besser als du – und nicht als Krüppel.«
Mason nahm es seiner Frau nicht übel, daß sie ihn so tituliert hatte.
Sie tat es bestimmt nicht zum erstenmal. »Ich weiß, daß ich nichts wert bin, aber ich habe meinen Stolz behalten.«
»Und die Armut, die hinzukam. Würden unsere Söhne uns nicht hin und wieder etwas schicken, wären wir längst verhungert.«
Brian nickte Suko zu. »Auch wenn es sich
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