0608 - Das Böse kommt
diese Nacht ein Tor für das Böse geöffnet hat. Wir müssen schneller sein, Suko!«
»An mir soll es nicht liegen.« Einige Schritte weiter fluchte er auf.
Zwar ging er nicht direkt durch einen Misthaufen, aber die flache Jauchegrube war auch nicht ohne. Das Zeug näßte die Hosenbeine des Chinesen durch und stank erbärmlich.
»Tut mir leid«, sagte Femina.
»Macht nichts. Ich hätte aufpassen können.«
Sie zog ihn nach links, wo es trockener war. Über weichen Lehm schritten sie auf eine Hütte zu, die in der Nähe hoher Bäume stand.
Suko konnte nicht einmal erkennen, aus welch einem Material sie gebaut worden war. Entweder Holz oder Stein.
»Ist sie das?«
Femina nickte.
»Soll ich…?«
»Nein, das nicht, du würdest sie erschrecken. Ich werde anklopfen, ich mache es.«
»Gut.«
Vor der Hütte mußte Suko den Kopf einziehen, um nicht gegen das schiefe, kleine Schindeldach über dem Eingang zu stoßen. Die Tür hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Er schielte durch ein Fenster und sah ein rotes Auge im Hintergrund des Raumes. Bei genauerem Hinsehen entpuppte es sich als ein Kaminfeuer, das schon ziemlich heruntergebrannt war.
»Ich klopfe«, hörte Suko die Stimme und schrak zusammen, als er die dröhnenden Schläge vernahm, die entstanden, als das Mädchen mit seinen Fäusten gegen die Tür hämmerte.
Suko blieb am Fenster. Zuerst tat sich nichts. Dann löste sich aus dem Halbdämmer des Hintergrunds eine Gestalt und schlurfte in Richtung Tür. Sie trug einen sehr langen Rock. Mit seinem Saum schleifte er über den hartgetretenen Boden. Dabei quollen kleine Staubwolken in die Höhe. Ihre Haare waren durch ein Kopftuch verdeckt. Sie schielte zur Tür und gleichzeitig zum Fenster hin, hinter dem Suko stand, so daß sich der Inspektor gezwungen sah, einen Rückzug anzutreten. Er ließ sich kurzerhand in die Knie fallen.
»Ich bin es, Femina!«
Die Frau war dicht vor der Tür stehengeblieben. Suko sah es, als er ihr schrilles Lachen hörte und rasch nachschaute. »Hau ab, du verdammte Hexe! Hau nur ab! Ich will dich hier nicht mehr sehen. Weg mit dir, verdammtes Weib!«
»Bitte, öffne. Ich möchte mit Brian reden!«
»Laß nur meinen Mann in Ruhe, du böses Weib. Laß ihn in Ruhe, du… du …!«
»Nein!« redete eine andere Stimme dazwischen. Suko konnte nicht erkennen, wo der Sprecher lag. Irgendwo im Hintergrund des Raumes. Dort reichte der Schein erst recht nicht hin.
»Brian, ich will nicht, daß du…«
»Aber ich will!«
Suko sah die Bewegung deutlicher. Die graue Finsternis schien dabei in Wallung zu geraten, dann humpelte plötzlich eine bedauernswerte Gestalt durch den Raum.
Femina hatte ihm berichtet, daß man Brian Mason ein Bein und einen Arm abgeschlagen hatte. Er lebte und konnte sich trotzdem bewegen. Auf einem Stock, das rechte Bein pendelte als Stumpf, und der linke Arm fehlte ihm ebenfalls. Aber er bewegte sich recht gut mit seiner Krücke und verschaffte sich trotz seines Zustandes den nötigen Respekt, denn er forderte seine Frau auf, von der Tür zu verschwinden.
Das tat sie, aber sie rang dabei die Hände, als wollte sie zum Allmächtigen um dessen Güte flehen.
»Los, komm herein!«
Femina drückte die Tür auf. Sie ratschte so hart über den Boden, daß Suko befürchtete, sie würde zerbrechen. Aber sie hielt auch diesen Druck noch aus.
Die Frau begann zu jammern. Als sie Femina sah, bekreuzigte sie sich. Als sie Suko sah, schrie sie.
»Keine Sorge«, erklärte Femina. »Er ist ein Freund und steht ebenso auf der Seite des Guten wie ich.«
»Du und gut?«
»Ja, Thelma, das stimmt!«
»Nein, nie. Du bist… du bist eine Hure. Du hast dich …«
»Thelma, sei ruhig!« Brian Mason sprach ein Machtwort. Seine Frau verstummte, und er nickte den beiden Neuankömmlingen zu, wobei er sogar noch lächelte.
Sein Haar war lang und verfilzt. Seine Hose besaß nur ein Bein, das andere war abgeschnitten worden. Ein Hemd aus Sackleinen schlotterte um seinen mageren Körper; auf den Wangen wuchs ein grauer Bart.
»Kommt bitte.«
Geschickt drehte er sich um und humpelte in die Mitte des Raumes zurück. Dort ließ er sich auf einen Stuhl fallen und legte die Krücke auf eine schiefe Tischplatte.
In der Nähe stand eine Bank, wo sich Femina und Suko niederließen. Er fragte Suko nicht, woher er kam und weshalb er so ungewöhnlich aussah, er nickte der dunkelhaarigen Frau zu und fragte:
»Wie ich hörte, bist du noch immer nicht zu ihm zurückgekehrt.«
»Ich werde
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