0608 - Das Böse kommt
die geheimnisvollen Strömungen eben anders auf als Normalbürger.
Daran hatten auch die Zeiten nichts ändern können und ebenfalls nicht die gewaltigen Erfolge der Technik, ob zum Wohl oder zum Unwohl der Menschheit. Irgendwo war sie gleichgeblieben.
Gut fühlte sich auch Suko nicht. Er hatte den Eindruck, in ein Bühnenbild hineinzuschreiten, das bewußt dunkel gehalten worden war, um einigen Akteuren die Chance zu geben, aus dem Hintergrund aufzutreten und urplötzlich zu erscheinen.
Er drehte sich noch einmal um. Eine Stimme hatte das Wort Verräterin gezischt. Die Person hielt sich verborgen. So wußte Suko nicht einmal, ob ein Mann oder eine Frau geflüstert hatte.
Wenn es stark regnet, wurde der Untergrund zu einem wahren See aus zähem Schlamm. Femina und Suko hatten Glück. Es war zwar nicht trocken, aber das Zeug klebte wenigstens nicht an den Füßen.
Die Häuser rückten an einigen Stellen enger zusammen. Klein waren die Fenster. Aus manchen Kaminen quollen träge Rauchwolken, die rasch im Wind zerflatterten. Manche von ihnen trieben noch als würzige Fahnen über den Boden und erreichten die Nasen der beiden einsamen Wanderer.
Suko fiel auf, daß sich seine Begleiterin des öfteren umschaute, als würde sie etwas suchen.
»Ist was nicht okay?« fragte er.
»Ich… ich warte auf ihn. Er muß doch kommen. Das ist die Nacht des Sterbens, des Bösen. Sie werden in den Ort als Horde einfallen, denn sie brauchen Lorenzos Vermächtnis.«
Suko schüttelte den Kopf. »Sie werden es nicht bekommen, das schwöre ich dir. Wir finden es vor ihnen.«
Femina lachte. »Und was ist, wenn wir es haben?«
»Ganz einfach, dann werden wir uns darum kümmern. Zudem besitzen wir den Spiegel.«
»John hat ihn.«
»Sicher.«
»Und er ist nicht da.«
»Stimmt auch.«
»Wir stehen allein.«
Suko gab keine Antwort. Er schaffte es einfach nicht, Femina ein positives Gefühl zu geben. Es war auch verständlich. Sie hatte viel mitgemacht und den Tod ihres Freundes erlebt.
Daß sie Abschied nehmen mußten, stand zudem fest. Er konnte sie nicht retten. Das Leben oder das Schicksal wurde durch andere Faktoren bestimmt, nicht durch ihn.
Ausgestorben, totenstill lag der kleine Ort. So ängstlich, als wollten sich selbst die Häuser vergraben, um nicht in den Bannstrahl einer teuflischen Magie zu geraten.
Suko behielt besonders die Fenster im Auge. Manchmal blinkten die schmalen Vierecke wie ein starres Auge. Einige Häuser besaßen auch kein Glas zwischen den Rahmen, nur einfache Löcher, durch die der Rauch drang, wenn der Kamin nicht richtig zog.
Femina blieb plötzlich stehen. Sie deutete in einen schmalen Einschnitt zwischen zwei schiefen Wänden, dermaßen eng, daß der Begriff Gasse übertrieben war.
»Laß uns dort hinein.«
»Und dann?«
Sie fuhr mit der Zungenspitze über ihre Lippen. »Ich weiß es auch nicht genau, Suko, aber hier haben mal Freunde von mir gewohnt. Ich war des öfteren bei ihnen.«
»Gehören sie auch zu den ängstlichen Bewohnern?«
»Ich… ich glaube.«
»Was sollen wir dort?«
»Sie überzeugen Lorenzo war des öfteren bei ihnen. Sie kamen gut miteinander aus. Die Masons sind arm, sehr arm, er ist einmal der Küster gewesen. Er hat sich gegen den Lord gestellt, als sie die Kirche abbrannten. Getötet haben sie ihn nicht, aber sie schlugen ihm ein Bein und einen Arm ab.«
Sukos Gesicht bekam einen harten Ausdruck. »Lebt er noch?«
»Ja, Brian Mason lebt noch. Seine Frau auch, aber die Kinder sind weg. Drei Söhne fahren zur See.«
Suko nickte. »Du kennst dich hier aus, Femina, also werde ich mich deinem Ratschlag fügen.«
Sie nahm seine Hand und zog ihn weiter. Der Schlund war nicht weit entfernt. Zwischen den Mauern stank es nach Urin. Suko gefiel die Finsternis überhaupt nicht. Er holte seine kleine Lampe hervor und leuchtete genau auf die beiden dicken Rattenkörper.
Die Tiere fühlten sich in ihrer Ruhe gestört. Sie jaulten fast auf, dann verschwanden sie.
»Die Ratten sind überall«, sagte Femina. »Noch immer verbreiten sie die Pest.«
»Das hört auf.«
»Ja?«
Suko lächelte bei seiner Antwort. »Ich weiß es, Femina. Ich komme schließlich von vorn.«
Sie widersprach nicht und zog ihn weiter. Die Gasse war länger, als Suko angenommen hatte. Stallartige Anbauten sorgten für eine Verlängerung der Häuser. In den Ställen bewegten sich die Tiere.
Schweine grunzten, Ferkel quiekten.
»Unruhig sind die Tiere«, sagte Femina leise. »Sie merken genau, daß
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