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0608 - Wo die Leichenfresser hausen

0608 - Wo die Leichenfresser hausen

Titel: 0608 - Wo die Leichenfresser hausen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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rote Sommerkleid, das Nicole trug, war für das Jahr 1675 tatsächlich ein bißchen arg kurz und auch zu offenherzig, obwohl es in der Gegenwart modern und der letzte Schrei war.
    Und Zamorra in Hemd und modern geschnittener Hose sah auch nicht gerade so gekleidet aus, wie sich ein Mann dieser Zeit in der Öffentlichkeit zeigte.
    »Wir sind unter die Piraten gefallen«, sagte er. »Capitano Vargaz wird Euch das bestätigen können, Monsieur.«
    »Piratenkapitän?« fragte deDigue schnell.
    »Mitnichten!« donnerte Vargaz in seinem schauderhaften Französisch. »Mein Schiff war die MADONNA DE LOS ANGELES. Ich sollte Sklaven vom Schwarzen Kontinent und einen Mann von Adel nach Espanola bringen, doch noch vor Sichtweite der Insel wurden wir von den Piraten versenkt und gerieten in Gefangenschaft. Das da«, er deutete auf das ausbrennende Wrack, »ist - nein, war das Piratenschiff.«
    »Recht bemerkenswert, die Geschichte«, sagte deDigue spöttisch. »Und ich möchte sie fast für wahr halten. Aber…«
    »Ihr wollt mich einen Lügner zeihen?« Zornig riß Vargaz seinen Säbel hoch.
    Ein Musketenschuß krachte.
    Die Kugel pfiff zwischen Säbel und Kopf des Spaniers hindurch, und erschrocken ließ der Kapitän die Klinge fallen.
    »Schrecklich«, sagte deDigue und wandte sich dem Soldaten zu, der geschossen hatte. »Er hat ihn verfehlt. Kann Er nicht besser zielen? Wie will Er so unser aller Leben schützen, wenn Er auf so kurze Distanz schon nicht mehr trifft? Nächstens zielt Er gefälligst besser.«
    Er sah wieder Vargaz an.
    »Findet Ihr nicht auch, Piratenkapitän, daß die Soldaten längst nicht mehr so gut ausgebildet sind wie früher? Mich dünkt, man sollte ihnen wieder Armbrüste geben anstelle der Feuerwaffen. Pulver und Kugeln kosten viel Geld, ein Armbrustbolzen ist billiger herzustellen.«
    Wieder drehte er sich herum und fuhr den Musketier an.
    »Will Er wohl endlich nachladen, Kerl? Er glaubt wohl, Er sei hier auf dem Exerzierplatze, wie?«
    Vargaz flüsterte Zamorra zu: »Ich könnte diesen Teufel aufschlitzen! Der ist ja noch arroganter als Euer verdammter Verwandter!«
    »Das ist das Stichwort!« sagte deDigue plötzlich, denn er hatte Kapitän Vargaz trotz seines Flüsterns verstanden. »Dieser verdammte Verwandte. Wie hieß er noch gleich? Don Cristofero Fuego del Zamora y Montego, nicht wahr? Wo steckt der eigentlich?«
    »Er ist…«, begann Vargaz.
    »Wir nehmen an, daß er im Schiff umgekommen ist, als die Pulverkammer gesprengt wurde«, sagte Zamorra schnell.
    Es war vielleicht besser, wenn deDigue Cristofero für tot hielt. Dann gab’s vielleicht endlich Ruhe in dem Zwist der beiden.
    Der Gnom hatte angedeutet, daß es deDigues Werk gewesen sei, daß Don Cristofero beim König in Ungnade gefallen war.
    DeDigue habe bei entsprechenden Gelegenheiten Bemerkungen darüber gemacht, daß Cristofero mittels Hexerei dafür gesorgt habe, daß es keinen lebenden deMontagne mehr gäbe, damit Château Montagne an ihn fiele.
    Und dann war dem König auch noch zu Ohren gekommen, daß Cristofero Zamorra während der damaligen Zeitreise einmal ›deMontagne‹ genannt hatte. Sie hatten sich zwar unbeobachtet gefühlt, aber offenbar hatte jemand vom Personal lange Ohren gemacht…
    Auf jeden Fall war Cristofero mit seiner ›Verbannung‹ noch recht glimpflich davongekommen; angesichts des nur sehr lockeren Bündnisses mit Spanien, das ohnehin an allen Ecken und Enden krachte und knirschte, hatte es Ludwig XIV. wohl nicht riskieren wollen, sich den Zorn Philips von Spanien zuzuziehen, denn zu dessen weitläufiger Verwandtschaft gehörte Cristofero, und deshalb wäre es bestimmt nicht klug gewesen, den Don offen der Hexerei anzuklagen…
    »Soso«, sagte deDigue nun. »Im Schiff umgekommen. Wie nützlich, nicht wahr? Wie kommt Ihr überhaupt an diesen Ort, Júan Zamora? Ihr seid doch nicht in Bordeaux gemeinsam mit Eurem widerborstigen Verwandten an Bord des Schiffes gegangen?«
    »Und wenn es so wäre?«
    »Wüßte ich davon«, sagte deDigue. »Wie also kommt Ihr hierher, Zamora?«
    Zamorra verdrehte die Augen. So oft, wie sein Name hier genannt wurde, mußte sich deDigue später einfach an ihn erinnern - was unweigerlich ein Zeitparadoxon zur Folge haben würde.
    »Die Frage ist eher: Wie kommt Ihr hierher, deDigue?« entgegnete jetzt Zamorra und ging damit in die Offensive. »Ihr seid recht schnell von Frankreich nach Espanola gelangt. Kann das wirklich mit rechten Dingen zugehen? Wie lange seid Ihr schon

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