0609 - Tiefsee-Mystik
Glühende Holzteilchen wirbelten durch die Luft. Lauwarme Asche traf unsere Gesichter, und zwischen Suko und mir stand eine erstarrte Kate Tanner.
Sie schaute gegen die Flammen, ihr Gesicht hatte einen rötlichen Schein bekommen, sie zitterte, bewegte die Lippen, ein Wort aber drang nicht aus ihrem Mund.
Daß die Emotionen in ihr hochgespült worden waren, lag auf der Hand. Tränen rannen aus ihren Augen und zeichneten helle Spuren in die graue Asche auf ihrer Haut.
Ich streichelte über ihr Haar. Sie schaute mich an und drückte sie an mich. »Es ist alles weg!« flüsterte sie. »Alles. Ich habe nur das, was ich am Leibe trage sowie meine Papiere und Kreditkarten, zum Glück«, fügte sie mit Galgenhumor hinzu. »O Scheiße, das ist eine verdammte Scheiße! Was habe ich denn nur getan!«
Wir ließen ihr den Ausbruch. Es mußte einfach sein. Anders konnte sie den Schock nicht überwinden.
Allerdings wollte ich auch nicht zu lange bleiben. Es wäre ungünstig gewesen, fremden Menschen in die Arme zu laufen und Fragen beantworten zu müssen.
»Laß uns gehen, Kate.«
Sie tat nichts und wehrte sich auch nicht, als ich sie förmlich abführte. Sie blieb zwischen Suko und mir, bei jedem Schritt schleiften die Sohlen über den Boden, und sie hielt den Kopf gesenkt, als wollte sie das Laub auf dem Boden zählen.
Minuten später hatten wir den Wagen erreicht. Er roch noch neu, hatte nicht einmal zweitausend Kilometer drauf. Suko nahm hinter dem Steuer Platz, ich setzte mich neben ihn, während sich unser Schützling auf dem Rücksitz aufhielt.
Sie starrte durch die Scheibe in die Dunkelheit. »Soll ich mal fragen, wie es jetzt weitergeht?«
»Sicher, Kate. Wir werden von hier verschwinden.«
»Wohin?«
»Kennst du ein Hotel?«
Scharf lachte sie mich an. »Hör mir mit einem Hotel auf. Ich kann das verdammte Wort bald nicht mehr hören. Wegen eines Hotelbaus habe ich mein Haus verloren.«
»Willst du im Wald den Rest der Nacht verbringen?« fragte Suko.
»Nein.« Sie wischte mit einem Taschentuch durch ihr Gesicht. »Ich kenne ein kleines Hotel, mehr ein Motel. Es liegt sogar ziemlich einsam.«
»Weit weg?«
»Zehn Meilen.«
»Gut«, entschied ich mich, »fahren wir.« Ich schaute Suko an.
»Willst du, oder soll ich?«
Er umfaßte seinen Kopf. »Morgen bin ich wieder besser dran.«
Wir wechselten die Plätze. Wenig später waren wir unterwegs und tauchten ein in die Weite des Landes.
***
Der Portier stellte keine Fragen, als er uns sah. Er saß in einer Insel aus Licht, kaute auf einem Gummi und schaute ansonsten in die Glotze, wo ein Western lief.
Das Hotel bestand aus sechs kleinen Häusern, die sich der Landschaft angepaßt hatten und dort malerisch verstreut lagen. Jedes der eingeschossigen Häuser besaß eine Zufahrt.
Natürlich waren wir vorsichtig, aber von den drei Killern sahen wir nichts. Ihr Wagen stand auch nicht vor einem der Häuser, überhaupt waren nur zwei von ihnen belegt.
Ich ließ das Fahrzeug ausrollen. Suko hatte sich gut gehalten, er half Kate beim Aussteigen. Da er den Schlüssel an sich genommen hatte, schloß er auch die Haustür auf.
Ich kam mit unserem Koffer nach. Wir hatten unser Gepäck, Kate leider nicht. Am nächsten Tag wollten wir neue Kleidung kaufen und noch einige andere Dinge besorgen, über die ich mit Kate allerdings nicht gesprochen hatte.
Der Raum war sauber, zwar nicht allzu groß, aber für eine Nacht reichte es. In einer winzigen Einbauküche konnten wir uns eine Mahlzeit zubereiten, nur verspürte keiner von uns nach diesen schlimmen Ereignissen Hunger.
Eine Tür führte in ein grün gekacheltes Bad. Kate fragte, ob sie duschen könnte.
»Gern.« Ich stand noch an der Tür. »Soll ich etwas zu trinken holen?«
Kate und Suko waren dafür.
Den Portier fand ich schlafend vor. Ich rüttelte ihn wach, und er holte aus einer Küche die Getränke.
Wasser, Wein und Saft. Die Weinflasche öffnete ich gleich an Ort und Stelle, wo ich auch zahlte und eine Frage stellte, die sich auf die drei Killer bezog.
»Nein, drei Männer habe ich nicht gesehen.«
»Sie werden auch nicht kommen?«
Der Portier wischte sich den Schlaf aus seinen Hundeaugen.
»Kann ich nicht sagen, Mister. Sonst noch was?«
»Nein, danke.«
Grußlos hockte er sich vor die Glotze, und ich verließ die Anmeldung, bepackt mit der Tüte.
Ich durchschritt die Kühle der Nacht. Es war still, deshalb hörte ich den klagenden Laut eines Käuzchens besonders deutlich. Über mir segelten am
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