061 - In der Gewalt der Schneemenschen
religiös. Er bekennt sich zum Lamaismus. Ich erzählte ihm von unserem seinerzeitigen Abenteuer in Schweden, als wir den Werwolf erledigten. Er war nicht überrascht darüber. Er glaubt an die Existenz von Werwölfen."
„Das ist allerdings ungewöhnlich", sagte Dorian. „Weshalb glaubt er an Werwölfe?"
„Khapa Srong beschäftigt sich seit seiner frühesten Jugend mit der Religion. Er stützt sich hauptsächlich auf alte Dokumente des Zervanismus, der shivaitischen Sekten Indiens und des tantrischen Lamaismus. Es gibt da Hinweise auf Männerbünde mit Wolfsemblemen, die sich in Vollmondnächten tatsächlich in Wölfe und Hunde verwandelt haben sollen. Der Hund gilt in vielen tibetischen Vorstellungen als Totenbegleiter. In vorbuddhistischen Zeiten wurde Pehar, der Herr der Berge, meist als Wolf dargestellt. Srong glaubt sogar daran, daß die Yetis eine Art Werwolf sind. Er vermutet, daß sie normale Menschen sind, die sich nur zu bestimmten Zeiten in affenähnliche Monster verwandeln. Einer der Hauptgründe, weshalb er diese Expedition mitfinanzierte, ist sein Wunsch, zu erfahren, ob seine Vermutung richtig ist. Um jetzt auf Ihre Frage zurückzukommen. Ich bin noch keiner Hexe begegnet. Aber warum soll es keine geben? Weshalb sind Sie an dieser Hexe interessiert?"
Dorian war dankbar, daß in diesem Augenblick Jeff auftauchte, und er deshalb nicht zu antworten brauchte.
Jeff begrüßte Yameshi freundlich.
„Ist im Basislager alles in Ordnung?" erkundigte er sich und setzte sich neben Dorian nieder.
„Ja", antwortete Yameshi, der über Jeffs Auftauchen nicht begeistert war, da er gern mehr von Dorian über Hekate erfahren hätte.
„In fünf Minuten ist das Abendbrot fertig", sagte Jeff.
Die Sherpas saßen um die Feuerstellen und aßen ihre Gurrfladen und Kartoffel; dabei schwatzten und lachten sie.
„Erzählen Sie weiter, Hunter!" bat Yameshi.
Der Dämonenkiller hob den Kopf, als sich eine rotgekleidete Gestalt dem Lager näherte. Es war ein hagerer Mann, der einen bodenlangen Umhang trug.
Auf dem Kopf hatte er eine spitze Mütze gestülpt. Die Hände hatte er unter den Ärmeln seines Umhangs versteckt.
Sein faltiges, braunes Gesicht war ausdruckslos. Gemessenen Schrittes kam er näher, blieb einen Augenblick stehen und sah sich um. Dann drehte er den Kopf in Dorians Richtung, musterte den Dämonenkiller genau und ging schließlich langsam weiter.
„Wer ist das?" fragte Dorian.
„Ein Lama", erklärte Yameshi.
„Gehen wir essen", sagte Jeff und stand auf.
Die anderen folgten seinem Beispiel.
Der Priester kam immer näher, Dorian warf ihm einen Blick zu, und sein Mißtrauen erwachte. Die Augen des Priesters waren dunkel und schimmerten feucht. Sie wirkten seltsam starr, fast gläsern. Der Dämonenkiller runzelte die Stirn. Der Lama hatte sich abgewandt. Jeff und Coco gingen an ihm vorbei. Dorian folgte ihnen zögernd. Er war nur noch einen Schritt vom Priester entfernt, als sich dieser blitzschnell um die eigene Achse drehte und die Hände aus den Ärmeln seines Umhangs riß. In jeder Hand blitzte ein geschwungener Dolch. Das Gesicht des Lamas veränderte sich, wurde zu einer haßverzerrten Fratze. Er öffnete die schmalen Lippen und schrie Dorian etwas zu, was dieser nicht verstand. Dann sprang er den Dämonenkiller an, und stach mit dem scharfen Dolch zu.
Dorian machte einen Schritt zur Seite, doch der Priester setzte ihm sofort nach.
Da griff Gregor Yameshi ein, der hinter Dorian gegangen war. Wie üblich hatte er seine Elefantenbüchse bei sich. Er hob die Waffe und schlug zu. Der Priester schloß die Augen und sackte lautlos zusammen.
„Danke", sagte Dorian zu Yameshi, der leicht nickte und neben dem bewußtlosen Priester niederkniete.
Einige Sherpas kamen näher. Yameshi schrie ihnen etwas zu und sie zogen sich zu ihren Feuern zurück, warfen aber dem Bewußtlosen immer wieder scheue Blicke zu.
„Der Lama wollte Sie töten, Hunter", sagte Yameshi und wälzte den Priester auf den Rücken. „Haben Sie verstanden, was er geschrien hat?" fragte Coco.
Yameshi nickte. „,Tod dem falschen Bodhisattva!" schrie der Lama.
„Und was soll das bedeuten?" fragte Dorian.
Yameshi richtete sich auf. „Das hat etwas mit dem Lamaismus zu tun."
„Erklären Sie es uns, Yameshi!" bat Jeff, der ebenfalls neben dem Bewußtlosen niederkniete, die beiden Dolche zur Seite legte und die Kutte untersuchte. In einer der Taschen fand er eise winzige Gebetsmühle und eine kleine Wurzel, die er
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