061 - In der Gewalt der Schneemenschen
Der Schneemensch stieß ein tief aus der Kehle kommendes Grunzen aus, dann hob er die rechte Pranke.
Sechs Yetis blieben neben ihm stehen. Sie waren unterschiedlich groß, einige kaum einen Meter, andere wieder fast zwei Meter fünfzig. Ihr Haarkleid variierte von Dunkelbraun bis Hellgrau. Geräuschlos schlichen sie die Felswand entlang, nützten geschickt den Schatten aus.
Im Zeltlager war es ruhig. Alle schliefen. Nach hundert Metern blieb der graue Yeti stehen. Er musterte den Sherpa, der langsam auf die Felswand zukam.
Tsering Namgyal blieb stehen. Er wunderte sich, daß er Nawag nicht gesehen hatte. Der Angriff kam für ihn völlig überraschend. Er bekam einen Schlag auf den Hinterkopf. Tot fiel er zu Boden. Die Yetis würdigten ihn keines Blickes. Zielstrebig betraten sie das Camp. Vor dem Messezelt blieben sie kurz stehen. Der graue Yeti stieß einige grunzende Laute aus, fuchtelte mit den Händen herum, und seine Artgenossen bewegten sich rasch.
Der graue Yeti stapfte auf eines der Zelte zu, das unweit des Messezelts stand, und kniete nieder. Das Zelt war von innen verschlossen, doch das störte den Yeti nicht. Er streckte die rechte Pranke aus. Gewaltige scharfe Krallen waren zu sehen. Er hob den Kopf und wartete, bis die anderen Schneemenschen ihre vorgesehenen Positionen eingenommen hatten.
Delphine Benne hatte lange nicht einschlafen können. Die Ereignisse des Tages ließen ihre Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Irgendwann war sie in einen unruhigen leichten Schlaf gefallen, doch immer wieder schreckte sie hoch und blieb in ihrem Schlafsack angespannt mit stark klopfendem Herz liegen. Sie stöhnte im Schlaf.
Plötzlich schreckte sie hoch. Sie hatte ein Geräusch gehört. Es klang wie das Zerreißen von Stoff.
Sie hob den Kopf. Im Zelt klaffte, ein Loch. Mondlicht fiel herein, und sie sah die riesige, graue Pranke, die sich ihr näherte. Dann tauchte ein affenähnlicher Schädel auf.
Die Ärztin riß den Mund auf, doch bevor sie schreien konnte, preßte sich eine schinkengroße Handfläche auf ihr Gesicht. Sie japste nach Luft und versuchte sich aus dem Schlafsack zu befreien, was ihr in ihrer Aufregung jedoch nicht gelang. Die Pranke drückte immer stärker zu. Es wurde schwarz vor ihren Augen. Sie wurde ohnmächtig.
Der graue Yeti packte die Bewußtlose und zog sie aus dem Zelt. Er hob sie hoch, warf sie sich einfach über die breiten Schultern, richtete sich auf und sah sich rasch um.
Ein gurgelnder Schrei war zu hören. Dann zerriß ein Schuß die Stille der Nacht, dem erregtes Geschrei folgte.
Der graue Yeti lief los. Er konnte sich um seine Artgenossen nicht kümmern.
Minuten später hatte der graue Yeti mit seiner Last die Steilwand erreicht. Er ging nach links weiter. Vom Lager aus war er nicht zu sehen. Nach und nach trafen die anderen Yetis ein.
Dorian und Coco schliefen zusammen in einem Zelt. Beide schreckten gleichzeitig hoch, als sie den Schuß hörten.
„Srong hat seine Drohung wahr gemacht", sagte Dorian grimmig.
Er öffnete den Schafsack, griff nach der Pistole, entsicherte sie, öffnete den Zelteingang, stürmte ins Freie und blieb stehen.
Einige Zelte weiter sah er zwei dunkle Gestalten. Es waren keine Sherpas, sondern Yetis. Eine der Gestalten hatte sich einen Mann über die Schultern geworfen. Dorian konnte nicht erkennen, wer es war. Der zweite Yeti zerrte einen weiteren Mann aus dem Zelt.
Der Dämonenkiller lief los. Aus dem nebenanliegenden Zelt tauchte der verschlafene Jeff Parker auf. Er hielt ein durchgeladenes Gewehr in der Hand.
„Ein Yetiüberfall!" schrie Dorian.
Während er auf die Schneemenschen zulief, zielte er und drückte ab. Er hatte getroffen. Der Yeti bäumte sich auf, ließ aber den Mann nicht los, den er gepackt hatte.
Dorian blieb stehen. Diesmal zielte er genauer. Er traf den Yeti im Nacken. Der Schneemensch bäumte sich wieder auf, und der Mann, den er getragen hatte, fiel zu Boden. Der Yeti drehte sich um, und Dorian und Jeff schossen gleichzeitig. Der Yeti riß die Affenarme hoch und fiel kopfüber in den Schnee. Zwei weitere Yetis tauchten auf und hoben den Mann hoch. Dorian und Jeff schossen wieder, einer der Yetis konnte mit dem Mann jedoch entkommen. Dorian konnte jetzt erkennen, wer der Unglückliche war. Es war Pablo Lozada, der vom Yeti entführt wurde.
„Wir müssen sie verfolgen", brüllte Jeff.
Dorian, Yameshi und einige Sherpas schlossen sich ihm an. Der Dämonenkiller schob während des Laufens ein frisches Magazin in die
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