0610 - Totenfee der Templer
dem Rücken gestemmt und hielt das Gewehr in Hüfthöhe und schußbereit, wie ich an der Haltung erkannte.
Auf seinem nassen Gesicht wirkte das Grinsen wie eingezeichnet.
Dabei glaubte ich sogar, die Augen wie kalte Diamanten leuchten zu sehen.
Noch schoß er nicht.
Neben ihm erschien der kleinere. Er lief geduckt, hatte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht. Das kümmerte mich nicht. Viel schlimmer war das graue Metallei in seiner Rechten. Er hatte den Arm triumphierend erhoben und machte den Eindruck, als wollte er jeden Moment die verdammte Handgranate schleudern.
Kate Tanner hatte die Szene ebenfalls gesehen. Alles lief schnell ab, dennoch kam es uns beiden langsam vor.
Auch ihr war der Mann mit der Handgranate nicht verborgen geblieben. Was diese Hölleneier anrichten konnten, hatte sie mit eigenen Augen an ihrem Haus erlebt.
»John, wenn der wirft, dann…«
Er warf nicht, er drohte nur. Für die direkte Gewalt war einzig und allein der Kerl mit dem Stirnband zuständig, der sein Schnellfeuergewehr etwas anhob, es sogar leicht verkantete, sein Grinsen zu einer gewissen Diabolik verstärkte und abdrückte.
Aus dem Augenwinkel sah ich die kleinen, blassen Flämmchen vor der Mündung. Feuer, das die Todesgrüße aus Blei begleitete, dann schlugen die Geschosse ein.
Die hämmernden Treffer übertönten auch den Lärm der Motoren.
Wir hörten die wuchtigen Schläge gegen das Metall, in das Löcher gestanzt wurden. Ich ging in Deckung, hielt das Ruder noch fest, und auch Kate Tanner lag auf dem Boden. Flach auf den Bauch hatte sie sich geworfen, den Kopf versteckt in den leicht angewinkelten Armen.
Über uns klingelte und platzte es, als die Geschosse die Scheiben zerbliesen.
Ein Splitterregen ging auf uns nieder, hämmerte in unseren Rücken, bohrte sich messerscharf in die Kleidung hinein, blieb dort verkantet stecken, und der Wind pfiff in die Brücke hinein wie ein böse jaulendes Tier.
Dann war dieser mörderische Spuk vorbei und ebenso das Killerboot, das uns passiert hatte.
Ich leistete mir ein erstes Aufatmen, kroch wieder aus der Deckung hoch und war froh darüber, den Kurs gehalten zu haben.
Hinter mir bewegte sich Kate Tanner.
»Ist dir was passiert?«
»Nein, ich lebe noch!« Zwischen ihren Worte hatte sie bitter und scharf aufgelacht.
»Okay.«
Das Boot mit den Gangstern hatte uns überholt, aber es behielt sein Tempo nicht bei.
Die beiden Kerle standen jetzt am Heck. Natürlich waren sie bewaffnet, auch der Kleine hatte sich jetzt eine MPi geholt. Er sah so aus, als würde er schießen wollen, doch der Typ mit dem Stirnband hatte etwas anderes vor und hielt ihn zurück.
Mit der freien Hand gab er uns ein Zeichen. Er senkte den Arm mehrere Male hintereinander.
»Du sollst stoppen, nicht?« fragte Kate.
»So ist es.«
»Willst du es versuchen?«
»Was?«
»Die Flucht, John!«
»Nein, Kate, nein, das bringt nichts. Wir können diesen Hundesöhnen nicht entwischen, die haben die besseren Karten.«
»Und wenn du sie rammst?«
»Was wäre damit gewonnen? Unser Schiff würde beschädigt, das ihre ebenfalls.«
»Wir hätten doch tauchen sollen!« keuchte sie.
Ich hob nur die Schulter. Dabei hatte ich schon Fahrt weggenommen. Die hohe Welle am Bug war zusammengesunken, nur mehr ein schmaler Schaumstreifen wurde vorangeschoben.
Kate blutete an der Hand. Als sie den Arm schüttelte, fielen zahlreiche Tropfen zu Boden und hinterließen dort dicke, rote Flecken.
Sie preßte ein Taschentuch gegen die Wunde. »Ich habe mich geschnitten. Das verdammte Glas!«
Der Wind fuhr gegen unsere Gesichter. Ich empfand ihn als scharf und wild. Selbst der grelle Sonnenball am weiten Himmel kam mir plötzlich kalt und abweisend vor.
Meine Gefühlswelt war eine andere geworden. Ich hatte einsehen müssen, daß es nicht mehr möglich war, zu gewinnen.
Der Typ mit dem Stirnband schoß wieder. Diesmal als ungezielte Warnung gedacht, denn die Garbe fegte über unsere Aufbauten hinweg in den blauen Himmel.
Ich stellte die Maschinen ab.
Noch trieb uns die Schubkraft voran. Da die Gangster ebenfalls die Maschinen abgestellt hatten, blieb die Distanz ziemlich gleich. Auf der Brücke des anderen Boots erschien ein hochgewachsener Mann mit langen, weißen Haaren.
Den hatte ich bisher noch nicht zu Gesicht bekommen. Es mußte sich um den Steuermann handeln. Er war ein Könner, das hatte er in den zurückliegenden Minuten bewiesen.
Die Gangster winkten ihm. Der Weißhaarige, der gar nicht alt aussah,
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