0610 - Totenfee der Templer
nicht, wie ich mich den Verfolgern gegenüber verhalten sollte.
Es begann mit einer Kursänderung. Die Küste lag westlich von uns. In diese Richtung lenke ich das Schiff und lauschte auf die Kommentare meiner Begleiterin.
»Das ist schlecht, John, die packen uns. Die… die würden uns rammen!«
Dazu kam es nicht, denn ich probierte es nun, in Schlangenlinien über das Meer zu huschen.
Sekundenlang sah ich nichts, weil Gischtfontänen mir die Sicht verdeckten. Alles war eingehüllt in einen gewaltigen Wasservorhang, aber ich hörte das andere Boot.
Waren sie schon so nahe?
Wieder versuchte ich einen Trick. Diesmal änderte ich den Kurs zur anderen Seite.
Backbord also!
Kate Tanner rutschte, als unsere Yacht sich schwer zur Seite neigte. Das sah nicht gut aus.
Zum Glück blieb uns das erspart. Ich hatte gerade noch einmal Glück gehabt. Wasser schäumte über. Etwas schwerfällig, wie mir schien, richtete sich das Boot wieder auf, und ich hielt vorerst den neuen Kurs bei, der uns wieder auf die Küste zubrachte.
Mit dem Wischer reinigte ich die Sichtscheibe vom Spritzwasser.
Vor uns bewegten sich die Wellen wie hektische Glasdreiecke. Volle Kraft voraus fuhr ich. Wieder überkam mich das Gefühl, als würde der Bug über die Wellen hinwegzischen.
Weiter, nur weiter!
Plötzlich öffnete sich ein Wellental. Wir rutschten förmlich hinein.
Eine gewaltige Hand schien unser Boot in die Tiefe drücken zu wollen.
Kate klammerte sich irgendwo fest. Ich konnte es erkennen, weil sie mit grünbleichem Gesicht ziemlich dicht neben mir am Ruder stand. Vielleicht war sie seekrank geworden. Jedenfalls hoben sich ihre Lippen kaum von der Gesichtsfarbe ab.
Kippten wir?
Auf einmal stand das Wasser höher als wir. Ich biß die Zähne zusammen. Mein Gesicht hatte sich verzerrt, auf dem Rücken lag der Schauer der Furcht, dann ließ ein mächtiger Schlag den Rumpf des Bootes erzittern.
Die harten Wellenschläge hatten dafür gesorgt. Sie donnerten von allen Seiten gegen das Boot. Ich taumelte zur Seite, Wasser kam über, die Geschwindigkeit kam mir viel zu hoch vor, aber ich behielt sie bei, und wir kamen wieder frei. Wir tauchten aus dem Wellental wieder auf. Ein verzerrtes Grinsen konnte ich nicht unterdrücken, als ich auf Kate schaute, die noch blasser geworden war.
»Das war gut, nicht?«
»Wir haben Glück gehabt!« ächzte sie.
Der Wischer reinigte wieder die Scheibe. Ich konnte klarer sehen und entdeckte wieder die dunklen Felsen vor dem Ufer. Mit hoher Geschwindigkeit näherten wir uns dem Ausgangspunkt der mörderischen Jagd. Momentan hatte ich die Verfolger aus den Augen verloren, aber Kate entdeckte sie.
»John, die sind noch da.«
»Wie dicht?«
Sie atmete erst durch. »Zu dicht!« Dann gab sie weitere Kommentare, die mich erbleichen ließen. Mit hektischen, abgehackt klingenden Worten sprach sie. »Der Kerl mit dem Stirnband steht dicht an der Reling und hat eine Waffe.«
»MPi?«
»Nein, John, ein Gewehr!«
Er hielt sie nicht nur, er setzte sie auch ein. Trotz des Motorenlärms vernahmen wir die Schußgeräusche. Dieses widerliche Hämmern, als die Schnellfeuerwaffe Feuer spie und die Todesgrüße aus Blei bei uns an Deck einschlugen.
Kate Tanner warf sich schreiend zu Boden. Auch ich wäre gern in Deckung gegangen, was ich mir leider nicht erlauben konnte, denn einer mußte das Boot führen.
Noch blieb die Brücke unbeschädigt. Die Treffer mußten weiter hinten liegen. Daß sie die Brücke nicht verschonen würden, war mir klar. Da konnten sie mit ihren Schnellfeuerwaffen ein Chaos aus Glas und tödlichen Kugelgarben schaffen.
Wie sollte ich mich wehren? Mit der Beretta? Als ich daran dachte, lachte ich leise auf. Diese Waffe hatte mir oft gute Dienste erwiesen, aber da hatte ich mich gegen Dämonen oder dämonische Diener gestellt, deren Existenz die geweihten Silberkugeln auslöschten.
Mir blieb im Augenblick keine andere Wahl, als auf unser Glück zu hoffen. Ich schaute nach rechts. Von dort mußten sie kommen, sie waren schneller als wir. Ergab es noch einen Sinn, wenn ich versuchte, Haken zu schlagen?
Nein, die würden uns immer packen. Zudem befanden wir uns fast in dem Gebiet, wo wir vor der Flucht geankert hatten.
Das Gangsterboot schob sich näher heran. Ich sah den Bug von der Seite.
»Die kriegen uns!« keuchte Kate. »Da, das ist er!«
Sie hatte nicht gelogen. Der Mann mit dem Stirnband geriet in mein Blickfeld.
Er hatte sich breitbeinig hingestellt, gegen einen Aufbau mit
Weitere Kostenlose Bücher