0610 - Totenfee der Templer
nicht, wer hinter dem Ruder des anderen Kahns stand. Wenn das Boot von einem Profi gesteuert wurde, sah ich nicht gut aus.
Ich hatte es im Blick. Unsere kleine Yacht krängte nach Backbord über. An dieser Seite tauchte auch das Boot mit der Killerbesatzung auf. Es huschte wie ein silberner Pfeil über die türkisfarbene Wasserfläche. Die Wellenkämme sahen aus wie schnelle Hände, die gegen die Bordwände klatschten. Die Distanz zwischen uns und den anderen hatte sich verringert. Der Bug schien aus dem Wasser kriechen zu wollen. Er stellte sich hoch, sah aus wie eine spitze Nase und zerschnitt messerhaft scharf die Wellen.
Ein Blick auf die Brücke gelang mir zwar, aber ich konnte nicht feststellen, wer sich hinter den Scheiben als Steuermann bewegte.
Dann riß hinter mir Kate Tanner die Tür auf. Keuchend taumelte sie zwei Schritte vor, hielt sich fest und schaute sich wirr um. Sie hatte sich breitbeinig hingestellt, um das Gleichgewicht zu halten, während wir über die Wellen hüpften.
Ich fragte sie, ohne sie dabei anzuschauen, weil ich mich konzentrieren mußte. »Warum bist du gekommen, Kate?«
»Die holen auf.«
»Ich weiß, sie sind geschickt.«
»Nein, sie sind besser!«
»Da kann ich dir nicht widersprechen.«
»Und noch etwas, John. Ich habe gesehen, daß sie auch bewaffnet sind. Du verstehst.«
»Das wußten wir vorher.«
Kate lachte wild. »Aber sie machen mir ganz den Eindruck, als wollten sie ihre Waffen auch einsetzen. Ich habe mitbekommen, wie sie es probierten. Sie zielten schon auf uns.«
»Welche Waffen hast du gesehen?«
»Gewehre und Maschinenpistolen, glaube ich.«
»Keine Handgranaten?«
»Nein.«
Da ich schwieg, gab auch Kate keinen Kommentar. Beide dachten wir wohl das gleiche. Wenn die Gangster Handgranaten einsetzten, sah es für uns mehr als böse aus.
Ich scheuchte die kleine Yacht weiter über die Wellen. Der Bug zerteilte messerscharf die Wellen. Wie Wände aus Schnee flogen die Gischtwolken zu beiden Seiten in die Höhe, bevor sie wieder im hohen Bogen in die Flut eintauchten.
Mein Magen hatte sich zwar nicht zusammengezogen, aber ein drückendes Gefühl war vorhanden. Ich hatte einen nördlichen Kurs eingeschlagen, fuhr in die offene See hinein, wußte aber gleichzeitig, daß ich diese Richtung nicht lange beibehalten konnte, denn ich durfte auf keinen Fall meinen Freund Suko vergessen, der sich noch immer unter Wasser befand und die Yacht als Anlaufstation nahm.
Zudem hatte ich Angst um den Alu-Koffer. Er enthielt den Dunklen Gral. Er sollte auf keinen Fall in die Hände der Gangster gelangen.
Von den Verfolgern entdeckte ich nichts, aber Kate sah sie, als sie sich drehte.
»Verdammt, sie kleben hinter uns!« Ihre Stimme hatte geklungen wie eine Alarmsirene.
»Wie dicht?«
»Sehr nahe schon, John. Ich kann den Abstand schlecht schätzen. Nicht mehr als hundert Yards.«
»Das wird eng!« preßte ich hervor.
Kate nickte. »Glaube ich auch.«
Es nutzte nichts, herumzureden. Die Gangster besaßen das Boot mit der stärkeren Maschine. Sie konnten uns hetzen, wie sie wollten.
Bald würden sie uns vor ihren Mündungen haben.
Auf meiner Stirn klebten die Schweißtropfen. Verzweifelt dachte ich darüber nach, wie ich den Verfolgern entwischen konnte.
Schlauer sein als sie, das wäre eine Möglichkeit gewesen. Kurven fahren, Schleudermanöver, wie bei einer Verfolgungsjagd mit Autos. Nur war dabei die Straße begrenzt, hier auf der Weite des Wassers konnten die Verfolger ihre Schnelligkeit besser ausspielen, größere Bogen fahren und uns packen.
»Sie holen auf, John! Ich glaube, du mußt was tun!«
»Das weiß ich!« Rasch drehte ich den Kopf. Das Verfolgerboot war nicht genau zu erkennen, weil es ebenfalls von gewaltigen Gischtfontänen umschlossen war. Innerhalb dieser Wolken wirkte es wie ein weißer Hai aus Metall.
Gefährlich und schnell, angetrieben von starken Motoren und mit einer Killerbesatzung an Bord.
Bisher hatte ich den nördlichen Kurs beibehalten und war weiter auf das Meer hinausgefahren. In der Ferne entdeckte ich die Fischerboote. Ich dachte darüber nach, ob ich sie anfahren sollte, entschied mich dagegen. Das würde nichts bringen. Erstens war die Entfernung zu weit, und zweitens hätte ich Unschuldige in Gefahr gestürzt. Die Killer würden auf sie keine Rücksicht nehmen.
»Tu was!« drängte Kate. »Die… die kommen näher!«
»Ja, Mädchen, ja!« murmelte ich. Zwar geriet ich nicht gerade in Panik, aber genau wußte ich auch
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