0613 - Mandragoros grausamer Garten
erinnerten mich an übergroße Löwenmäuler, die nur darauf zu warten schienen, endlich nach unten zu sinken und nach mir zu schnappen.
Suko ging vor mir. Der weiche Boden ließ einen festen Tritt nicht zu, so daß mein Partner aussah wie jemand, der sich ständig auf-und abbewegte.
Dann geschah es!
Ich kam nicht mehr dazu, meinen Freund zu warnen. Von der linken Seite her, in Hüfthöhe und aus dem Dunkel des verwilderten Gartens, schoß die Liane schlangengleich hervor.
Sie peitschte um Sukos Hüfte, fesselte ihn wie ein Lasso und riß ihn von den Beinen, was auf dem ziemlich glatten Untergrund sogar einfach war.
Ich wollte meinem überraschten Freund dennoch zu Hilfe eilen, was ich nicht mehr schaffte, denn über mir hatte sich lautlos einer der großen Blütenkelche in Bewegung gesetzt und war dabei, sich wie ein gewaltiger Handschuh über meinen Kopf zu stülpen…
***
Professor Chandler sagte nichts. Er konnte nicht mehr sprechen, er starrte nur auf die beiden herantreibenden Seeroseninseln, aus denen die Köpfe seiner Freunde wuchsen.
Eines allerdings stand für ihn fest. John Sinclair und Suko hatten nicht nur die Spur aufgenommen, es war ihnen auch gelungen, den Weg in diese Welt zu finden.
Lizzy und Peppi hatten den Blick des Professors bemerkt. Sie wußten, daß etwas nicht stimmte, wollten nachfragen, doch Chandler gab ihnen vorher eine Antwort.
»Es sind meine Freunde Suko und John Sinclair.«
»Die… die neuen Köpfe?«
»Ja, Peppi.«
Der junge Mann bewegte seine Stirn. Er fragte nicht mehr weiter, zudem sah er, wie sich der Professor bückte, sich hinkniete und den rechten Arm ausstreckte.
Mit zitternden Fingern griff er nach der rechten Seeroseninsel, auf der das Gesicht des Asiaten zu sehen war.
Beinahe übervorsichtig pflückte der Mann die Seerose aus dem Wasser. Sie besaß keinen langen Stengel und hatte auch keine Verbindung mehr zu dem Boden. Mit den vier Blättern auf der flachen Hand richtete er sich auf, drehte sich um und nickte den jungen Leuten zu.
»Seht euch das an.«
Sie wollten erst zurückzucken, faßten sich aber wieder, zudem berührten sie sich gegenseitig und gaben sich somit das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
»Ist das Suko?« fragte Lizzy.
»Ja, ein Inspektor bei Scotland Yard.«
»Aus England?«
»Richtig. Ihm und seinem Freund John Sinclair habe ich Bescheid gesagt, um mir beizustehen.«
»Sind sie denn jetzt tot?« flüsterte Peppi.
Chandler senkte den Blick. »Das will ich nicht hoffen«, gab er leise zurück. »Das will ich bestimmt nicht hoffen. Daß wir ihre Köpfe hier sehen, zeigt uns nur ihren Erfolg.« Er schaute die jungen Leute zugleich an. »Sie haben den Weg zu uns gefunden, sie sind in dieser Welt, und sie werden uns finden, davon bin ich restlos überzeugt. Beide sind Menschen, die nicht kapitulieren.«
»Das kann man doch nur in dieser Welt!« stieß Peppi hervor.
»Auch ich habe gedacht, daß ich…« Er hob die Schultern. »Nein, Professor. Ich will Ihnen endlich sagen, daß ich mich nicht stark fühle. Ich bin der Schwächling in Person. Und ich habe Angst. Sie überkam mich, als ich unsere Köpfe auf den Blättern sah. Okay, wir leben, aber wie lange noch?«
Chandler strich mit den Fingerkuppen über Sukos Gesicht. Die Haut war weich und trotzdem zäh. Sie fühlte sich an wie Gummi.
Der Professor sah auch, daß der Kopf durch einen grünen Stumpf mit dem Seerosenblatt in Verbindung, stand.
Wieder bückte er sich und legte die Seerose vorsichtig auf die Wasserfläche, direkt neben die andere, die den Kopf des Geisterjägers zierte.
»Mich beschäftigt ein ganz anderes Problem«, erklärte er, sich dabei aufrichtend. »Und zwar geht es mir um den Vernichter. Er ist doch derjenige, der geschickt wurde, von wem auch immer. Er ist in diese Welt hineingekommen, um sie zu vernichten. Davon müssen wir ausgehen, Freunde. Und ich glaube nicht, daß er dabei auf uns Rücksicht nimmt. Er wird nicht nur die Köpfe zerquetschen, sondern auch auf uns keine Rücksicht nehmen.«
»Das war deutlich«, flüsterte Peppi. »Dann befinden wir uns in Lebensgefahr.«
»Ja.« Dem Professor tat es leid, daß er diese Antwort hatte geben müssen, aber er konnte und wollte den jungen Leuten die Wahrheit nicht verschweigen.
Lizzy faßte sich als erste. »Können wir uns denn nicht verstecken?« hauchte sie. »Diese Welt ist groß, und der Mann mit der Eisenhand kann nicht überall sein.«
»Er wird uns finden!«
Lizzy starrte zu Boden. »Wir
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