0614 - Werwolf-Begräbnis
so aber zog ich im letzten Augenblick die Beine an, als die beiden Kiefer zuschnappten.
Sie erwischten nicht einmal meinen Schuh. Dicht unter den Sohlen knallten sie zusammen. Ich hätte jubeln können vor Freude. An diesem Tag war ich kein Fraß für Krokodile.
Während mich die Kraft meines unsichtbaren Helfers in die Höhe zog, flossen die ersten Stoßgebete über meine Lippen. Ich kam mir noch immer so hilflos vor und konnte nicht einmal die Arme ausstrecken, sonst wäre ich aus der Schlinge gerutscht.
Das Reptil wollte sich mit meiner Flucht nicht zufriedengeben.
Noch immer stand es am gleichen Fleck, schielte in die Höhe und schien darauf zu warten, daß ich ihm vor das Maul flog.
Das sagte auch mein Helfer. »Sinclair, ich könnte dich jetzt loslassen…«
Die Stimme drang durch mein Gehirn wie kleine Stahlsägen. Himmel, jetzt erst wußte ich, wer sich da so samariterhaft um mich gekümmert hatte.
Es war eine Frau – Raphaela!
»Warum haben Sie mich dann erst hochgezogen?« fragte ich zurück.
Da lachte sie. »Es macht mir einen Spaß, dich ein wenig zu ärgern. Jetzt mußt du mir dankbar sein.«
»Noch nicht«, keuchte ich und wünschte mir, noch höhergezogen zu werden, weil das verdammte Seil doch sehr hart unter meine Achseln schnitt. Da half selbst der Jackettstoff nicht viel.
Noch war ich nicht in Sicherheit, wartete ab, daß ich weitergezogen wurde.
Das tat die Frau dann auch.
Eine Hand packte meinen linken Arm in Höhe des Ellbogens und wies mir die Richtung.
Ich drehte den Kopf und sah Raphaela wie einen weiblichen Tarzan im Baum hocken. Sie hatte sich dort zwar keine Bude gebaut, aber das flache Brett reichte ihr ebenfalls als Standplatz.
Sekunden später hatte auch ich es erreicht und hockte schwer atmend neben ihr.
Ich nahm sie kaum wahr. Die Welt drehte sich vor meinen Augen.
Am liebsten hätte ich mich nach hinten gelegt und wäre eingeschlafen, doch meine »Freundin« Raphaela hatte einiges dagegen.
Sie lachte mich an.
Ob sie es auch so meinte, wußte ich nicht, jedenfalls blieben ihre Augen düster.
»Du hast Fragen, nicht wahr?«
»Bestimmt.«
»Bitte.«
Mein Blick glitt über die hinweg. Sie hatte sich umgezogen, trug ein schwarz-weiß gestreiftes Kleid mit dünnen Trägern und einem sehr tiefen Ausschnitt, aus dem die vollen Brüste beinahe herauspurzelten.
Das Kleid endete an den Oberschenkeln. Es paßte irgendwie in diese Wildnis hinein.
»Stelle sie!«
»Darf ich mal fragen, wo wir uns hier befinden?«
»Aber sicher.«
»Wo denn?«
»In unserer Welt, wo alles anders ist. Es hat sie vor langer Zeit mal gegeben, ein Sturm riß sie und ihre Magie mit ins Meer, aber es gab einen Weg, um zu ihr zu gelangen und die alte Magie wieder aufleben zu lassen.«
»Hatte die Welt auch einen Namen?«
»Vielleicht.«
»Und jetzt ist es wieder da, nicht?«
»Du befindest dich in ihr.«
»Wie habt ihr mich hergeschafft?«
Raphaela lachte nur. »Das werde ich dir nicht sagen. Genieße diese Welt so lange wie möglich.«
»Und dann?«
Sie strich durch mein Gesicht. »Ihre Finger waren weich. Du weißt es doch bestimmt selbst, John.«
»Der Film, nicht wahr?«
»Kann sein.« Sie ließ mich im unklaren, drehte mir den Rücken zu und stand auf, wobei sie in einer tief gebückten Haltung bis zum anderen Rand der kleinen Plattform vorschritt, sich dort wieder umdrehte und mir zuwinkte. »Willst du hier oben sitzenbleiben?«
»Wäre nicht das schlechteste«, erwiderte ich mit einem Blick auf die beiden Krokodile.
»Nein, komm mit.«
»Okay, wie du willst.«
Ich schaute in die Tiefe und sah die Strickleiter, über die wir zu Boden klettern konnten. Raphaela machte es mir vor. Sie bewegte sich dabei so geschmeidig wie eine Katze.
Ich kam weniger gut die Leiter hinunter, denn so etwas mußte man üben. Schließlich hatte ich es auch geschafft, blieb neben ihr stehen und schaute ihr, da sie kleiner war, ins Gesicht.
»Was hast du jetzt vor?«
Sie legte beide Hände auf meine Schultern. »Ich werde dich mit zu mir nehmen.«
»Ach ja?«
»Sicher.«
»Eigentlich wollte ich zu einer anderen Frau, was du bestimmt verstehen kannst.«
»Du denkst an die kleine Glenda, wie?«
»So ist es. Befindet sie sich überhaupt noch in diesem seltsamen Land?«
»Aber ja.«
»Und wo?«
Sie streichelte mich wieder. »Keine Sorge, John, du wirst alles sehen, alles. Zunächst aber bleiben wir beide zusammen, das ist viel wichtiger, glaub mir.«
Ich hätte die Person am liebsten zum
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