0614 - Werwolf-Begräbnis
ist.«
»Aha. Wann geschieht das?«
»Es dauerte nicht mehr lange.«
»Hör zu, Raphaela, mir dauert es aber zu lange. Hast du begriffen? Ich will nicht warten, zum Teufel! Ich will diese verdammte Insel ausräuchern, ich will Glenda Perkins finden.«
»Du wirst sie sicherlich noch sehen.«
»Tot oder lebendig?«
Sie schaute mich lächelnd an. »Denk nicht an so etwas. Denke lieber an uns beide.« Sie kam auf mich zu, und ich bekam den Eindruck, als würde sie über dem Boden schweben. Als sie dicht vor mir stand und ich nach ihr greifen wollte, faßte ich ins Leere, obwohl ich die Richtung beibehalten hatte.
Ins Leere?
Ich griff noch einmal zu, diesmal konzentrierte ich mich stärker und konnte sie auch berühren. Meine Hände streiften an ihren Schultern entlang, nur schaffte ich es nicht, die Finger zu krümmen und die Frau festzuhalten? Das war sonst nicht der Fall. Was war nur los mit mir?
»Na, John?«
Auch diese Frage gefiel mir nicht. Sie hörte sich an, als wüßte sie viel mehr als ich.
Ich zwinkerte mit den Augen. Okay, ich sah sie noch vor mir, aber zum Teufel, zwischen die Frau und mich hatte sich ein Schatten geschoben. Zudem bewegte ich mich längst nicht mehr so schnell wie sonst, und das war keine Einbildung.
Aber mein Gehirn funktionierte. Ich konnte nachdenken und dachte daran, daß ich das Wasser getrunken hatte. Dieses herrlich klare Wasser, das eigentlich schon zu gut geschmeckt hatte.
Ja, zu gut…
»Was hast du denn, John?« flüsterte sie und trat dicht an mich heran. Sie hob die Arme. Ihre Handflächen glitten über meine Brust und liebkosten sie.
Ich gab ihr keine Antwort. Aus der Ferne aber hörte ich ein unheimliches Geräusch. Es war ein schreckliches Heulen, das bestimmt nicht von einem Menschen abgegeben worden war.
Der Wolf oder der Werwolf?
Tief holte ich Luft und wollte die Frau zurückdrücken, nur besaß ich nicht mehr die Kraft, obgleich der Wille vorhanden war. Sie blieb einfach stehen. Ich konnte nichts dagegen tun, daß sie mittlerweile die Initiative übernommen hatte.
»Auf dieser Insel muß man tun, was sie verlangt, John. Das mußt du einsehen. Wenn du sie einmal betreten hast, dann hat sie dich auch mit Haut und Haaren gefressen. Schade, du hättest deine Nase nicht in diese Angelegenheiten hineinstecken sollen. Die Insel ist sehr wichtig für uns, sie ist der Himmel und zugleich ein gewaltiges Grab, was du noch erkennen wirst.«
Raphaela hatte nur einen leichten Druck auszuüben brauchen, um mich in eine bestimmte Richtung zu dirigieren. Wenn mich nicht alles täuschte, mußte ich bald die Bastmatte erreicht haben.
Dem war auch so.
Ohne daß ich etwas dagegen unternehmen konnte, drückte sie mich in die Tiefe, streichelte mich noch dabei, und ich sank der Bastmatte entgegen, wobei mich das Gefühl überkam, auf sie niederzuschweben. Es mußte das Getränk gewesen sein, das ausgesehen hatte wie normales Wasser. Eine andere Erklärung gab es nicht.
Ich war sauer über mich selbst, doch noch in eine Falle gelaufen zu sein. Aber konnte ich mir deswegen einen Vorwurf machen? Bestimmt nicht, denn ich war zu sehr auf Glenda fixiert gewesen. Hätte ich mich benommen wie ein Elefant im Porzellanladen, hätte ihr das am allerwenigstens genutzt.
»Du wirst dich jetzt ausruhen, entspannen«, flüsterte die dunkelhäutige Frau. »Und du wirst sehen, daß eine Frau einem Mann auch auf einer Insel wie dieser einen Himmel bereiten kann. Leg dich nieder, alles andere überlasse mir.«
Noch saß ich, und ich wollte mich auch nicht niederlegen, aber ich kam gegen die Frau nicht an. Selbst ihre Worte besaßen eine suggestive Kraft, ich übergab mich ihr und ihren streichelnden Händen, die über meinen Körper glitten.
»Es ist warm hier«, flüsterte sie, »zu warm, um Kleidung zu tragen. Ich werde dich ausziehen, John.«
»Nein!«
Die Antwort hatte ich rasch und spontan gegeben, und die Frau über mir verzog das Gesicht zu einem erstaunten Lächeln. »Nein, hast du gesagt? Du willst nicht?«
»Ich will hier weg!« keuchte ich, weil ich spürte, daß mich gewaltige Hitzewellen durchstreiften. »Kannst du das nicht begreifen? Ich muß hier raus. Diese verdammte Insel ist für mich das pure Gift. Ich habe mir den Ort nicht ausgesucht. Hier herrscht ein Teufel, die Insel steht unter dem Einfluß des Bösen.«
»Wir sind hier glücklich.«
»Mag sein, aber ich will nicht.«
Mit einem Tuch wischte sie mir die Schweißtropfen von der Stirn.
»Rege dich nicht auf.
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