0616 - Der König des Schreckens
Ihrer Nähe sind.«
»Das weiß ich doch.«
»Dann ist es ja gut.«
Sie bewegte ihre Stirn und fuhr noch einmal mit der Zunge über die Lippen.
Lässig, mit in den Manteltaschen steckenden Händen und dabei schwingendem Mantel setzte sie sich in Bewegung. Dabei machte sie den Eindruck, als würde sie über einen Laufsteg schreiten, den Blick in die Höhe gerichtet, den dunklen Himmel absuchend, aber dabei immer auf den Schädel schielend.
Lorenzo, der König des Schreckens oder wer immer er sein mochte, veränderte seinen Standort nicht. Er blieb wie ein unheimlicher Beobachter über der Fahrbahn stehen. Das grüne Licht auf seiner Knochenfratze blieb nicht allein auf sie beschränkt. Wenn wir genau hinschauten, konnten wir den dünnen Schleier sehen, der von ihm aus dem Boden entgegenfloß und sich dort verteilte.
Wir gingen zu Fuß und wandten uns nach rechts, um direkt in die Ortsmitte hineinzugelangen.
Daß in dieser neuen Wohngegend die Ruhe vorherrschte und auch kein Licht brannte, war verständlich, denn diese Häuser waren kaum belegt. Als sehr ungewöhnlich empfand ich es nur, daß sich die Ruhe auch dort fortsetzte, wo die meisten Menschen lebten.
Wir gingen vorbei an Häusern, die in tiefer Ruhe lagen. Wir sahen die parkenden Fahrzeuge, die ebenso einen leicht grünen Anstrich bekommen hatten wie die Fassaden und Hausdächer. Der vom Schädel abstrahlende türkisfarbene Floor hüllte den gesamten Ort ein, auch wenn er nur beim näheren Hinsehen zu erkennen war.
Capri schritt stolz wie eine Königin zwischen uns beiden. Den Kopf hielt sie erhoben, der Mund war zu einem Lächeln verzogen.
Ihre Nasenlöcher zitterten, es hatte den Anschein, als wollte sie die Magie aufsaugen, die sich in der Luft befand.
Für sie war diese Veränderung etwas Besonderes. Sie lebte mit ihr, sie liebte es, in den türkisenen Schatten ihres Meisters hineinzutreten.
Wir erreichten eine Kreuzung. Von vier Seiten führten hier schmale Straßen aufeinander zu.
Auch diese Asphaltbahnen glänzten in einem sehr leichten Grün.
Nur war es das nicht, was mich störte. Es gab einen anderen Grund, der mich stutzig machte.
Den Streifenwagen am Straßenrand kannten wir gut. Er war vor uns hergefahren.
Daß zwei Beamte in ihm saßen, sahen wir selbst durch die dunklen Scheiben. Eigentlich hätten sie uns hören müssen, denn unsere Schritte waren das einzige Geräusch in der Stille.
Sie regten sich nicht.
»Bleib du mal hier«, sagte ich zu Suko und lief auf den Streifenwagen zu.
Ich hätte meinem Freund besser einen längeren Blick gegönnt, so entging mir, wie er sich den kalten Schweiß mit einer müde wirkenden Bewegung von der Stirn wischte und leicht schwankte, als hätte ihn ein Windstoß umspielt.
Capri war es sehr wohl aufgefallen. Sie schaute ihn von der Seite her kühl und gleichzeitig lächelnd an.
Ich hatte mittlerweile den Wagen erreicht; und war an der Fahrerseite stehengeblieben. Die Beamten mußten meinen Schatten wahrnehmen, sie rührten sich noch immer nicht.
Schliefen sie?
Das konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen. Auch als ich gegen die Scheibe klopfte, tat sich nichts. Die beiden Männer zuckten nicht einmal zusammen.
Was war geschehen?
Allmählich bekam ich ein drückendes Gefühl. Es stieg vom Magen her in die Höhe und erreichte die Kehle. Ich traute mich kaum, die Tür zu öffnen. Als ich es dann doch tat, kippte mir der Körper entgegen und wäre aus dem Wagen gefallen, hätte ihn der Gurt nicht gehalten.
Die Augen des Mannes standen offen. Der Blick wirkte gläsern.
Mich durchfuhr eine schreckliche Angst.
Waren sie tot?
Ich fühlte nach Herz- und Pulsschlag.
Ja, da war etwas zu merken. Der Mann war nicht gestorben, er schlief auch nicht, er befand sich nur in einem Zustand der tiefen Apathie, einem magischen Schlaf.
Auf einmal kam es mir vor, ganz allein zu sein. Verlassen, ohne Freunde, aber von gefährlichen Feinden umzingelt. Ich atmete tief durch, weil ich den Zustand vertreiben wollte, und dachte über den Grund dieses Verhaltens nach.
Er lag eigentlich auf der Hand.
Die verdammte Strahlung oder Magie des clownhaften Schädels hatte für diesen Zustand gesorgt.
Was mit den beiden Beamten geschehen war, das konnte auch die anderen Bewohner von Littleport erfaßt haben. Deshalb also diese trügerische Ruhe, darum die Stille, die von keinem Ruf und von keiner Stimme unterbrochen wurde.
Die hart klingenden Echos der Schrittgeräusche rissen mich aus meinen
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