0616 - Der König des Schreckens
nicht ergriffen.«
»Das will ich schon genauer wissen«, forderte ich sie auf.
Capri lachte und zerrte den Mantel um sich, als würde sie frieren.
»Nein, es reicht.«
»John«, Suko hatte leise gesprochen. »Unsere schöne Freundin hier scheint recht gehabt zu haben. Schau mal nach draußen.«
Ich tat es und überließ es meinem Freund, Capri im Auge zu behalten.
Es war dunkel. Eine graue Dunkelheit, die mir irgendwo auch extrem vorkam. Ich zwinkerte unwillkürlich, als ich das grüne Flackerlicht sah, das gleichzeitig über den Himmel und durch die Straßen geisterte. Es kam mir vor, als hätte jemand mit einem Blitzlicht geschossen, das er ziemlich versteckt hielt, denn einen Mittelpunkt konnte ich beim besten Willen nicht entdecken.
»Wo hast du das Licht genau gesehen?« fragte ich bei Suko nach.
»Eigentlich überall.«
»Stimmt, ich auch.«
»Und jetzt?«
Sehr langsam drehte ich mich um. Mein Blick fiel in den Raum hinein und natürlich auf Capri, die ihre Arme halb erhoben hatte und mit den gespreizten Fingern durch die wilde Frisur fuhr. Ihre Haltung konnte man als sexy bezeichnen. So wie sie aussah, hätte sie auf das Titelbild einer Modezeitschrift gepaßt.
»Wo?« fragte ich.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß er überall ist. Der König des Schreckens wird seine Herrschaft errichten, die Apokalypse stimmt. Nur wird er andere Wege gehen, als ihr es euch vorgestellt habt. Ganz andere sogar. Bessere.«
»Das wird Ihnen nichts mehr nutzen«, erklärte ich.
»Ach ja?«
»Wir werden Sie einsperren, Capri.«
Sie staunte. »Hinter Gitter soll ich?«
»So ist es.«
Hart lachte sie und schüttelte dabei den Kopf. »Ich hinter Gitter? Das darf doch nicht wahr sein. Wollen Sie tatsächlich…?« Wieder unterbrach sie sich durch ein Lachen. »Unmöglich. Ich hasse Gitter. Ich werde nicht gehen. Außerdem müssen Sie mir einen Grund nennen. Sind Sie überhaupt berechtigt?«
»Wir sind von Scotland Yard«, sagte Suko.
»Oh, wie schön. Und aus welchem Grund wollen Sie mich einsperren, Mr. Bulle?«
»Zumindest wegen schwerer Körperverletzung. Sie kennen doch einen gewissen Dr. Moore.«
»Aber ja.«
»Sehen Sie. Seinetwegen wurde die Ambulanz alarmiert. Man fuhr ihn weg. Man wird ihn in ein Krankenhaus stecken, und ich weiß nicht, ob er es überleben wird.«
Capri drehte sich auf der Stelle und amüsierte sich dabei köstlich.
»Nein, was sind Sie doch dumm, meine Herren! Sie sind wirklich dumm. Glauben Sie denn tatsächlich, daß ich diesen Dr. Moore verletzt oder gar getötet habe?«
»Das glauben wir.«
»Ich war es nicht, verdammt noch mal! Ich habe damit nichts zu tun.«
»Sie besaßen die Nadel.«
»Schön, das weiß ich, aber sie gehörte eigentlich einem anderen. Lorenzo griff ihn an. Er kehrte zurück aus dem Bild und räumte ihn aus dem Weg, wobei er mir zur Seite stand, denn dieser Mensch wollte das Bild einfach nicht hergeben.«
Ich hatte nicht genau hingehört und mich auf das grüne Gespensterlicht draußen konzentriert, das meiner Ansicht nach intensiver geworden war als noch vor einigen Minuten.
»Wir sollten ihn suchen«, schlug ich vor.
»Ja, das ist gut!« freute Capri sich. »Suchen Sie ihn. Lorenzo wird sich freuen. Bisher hat es noch niemand geschafft, ihn zu besiegen. Hören Sie, niemand.«
»Wir wissen Bescheid.«
»Das ist gut.«
»Kommen Sie freiwillig mit, oder müssen wir Sie zwingen?«
Capri schaute mich mitleidig an. »Sagen Sie mal, Sinclair, soll das ein Witz sein? Natürlich komme ich mit. Ich möchte nicht, daß Ihr Blut an den Wänden dieses Hauses klebt, das ich gemietet habe.«
»Ach ja?«
»Sicher. Lorenzo ist wütend geworden. Es hat nicht so geklappt, wie es vorgesehen war. Er wird diese kleine Stadt dem Erdboden gleichmachen. Sie werden bald Leichen zählen können, Sinclair.«
Dabei zielte sie mit dem Finger auf mich. »Und Ihre wird sicherlich dabei sein.«
»Möglich. Rechnen Sie denn damit, daß Sie überleben?«
»Immer doch.«
Suko faßte sie an. »Wir beide werden schon mal vorgehen.«
Capri nahm es gelassen. Sie traf keinerlei Anstalten, sich aus Sukos Griff zu lösen. Im Gegenteil, es machte ihr anscheinend Spaß, mit dem Inspektor zu gehen, nicht umsonst hatte sie den Kopf in den Nacken gedrückt, und ihre Augen strahlten, als würde sie gleich vor laufende Kameras treten, um ein Interview zu geben.
Capri gab sich ungemein sicher, das bestimmt nicht grundlos. Mir war unwohl. Dabei ging es mir nicht einmal so sehr um uns,
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