062 - Todeskuss vom Höllenfürst
sie über körperliche Beweglichkeit. Das war nicht zu
verachten.
Morna richtete sich auf. Sie lag auf dem Boden. Es war
warm, als würden Heizschlangen durchlaufen.
Es war überhaupt sehr warm in der Umgebung, in der sie
sich befand, kam ihr zu Bewußtsein.
Warm und feucht wie in einem Gewächshaus!
Die Schwedin kam sicher auf die Beine, drehte sich um
ihre eigene Achse, und ging dann zwei, drei Schritte vor.
Ihre Finger legten sich um das warme Eisen. Metallstäbe!
Man hielt sie in einem Käfig gefangen.
Morna rüttelte und zog daran. Die Eisenstangen bewegten
sich keinen Millimeter.
Hinter ihr eine Mauer, zu drei Seiten Gitter. An ein
Entkommen war nicht zu denken.
Sie versuchte sich durch die schmalen Zwischenräume zu
zwängen.
„Ein paar Pfunde weniger müßte man haben“, konstatierte
sie halblaut.
Sie zog den Bauch ein. Aber selbst bei einer Idealfigur,
wie Morna sie zweifellos hatte, war da nichts zu machen. Auch ein Twiggi-Typ
hätte hier die ärmlichen Waffen strecken müssen.
Die Schwedin fuhr sich durch die Haare. Sie maß ihr
geräumiges Gefängnis Schritt für Schritt aus. Ein Raum von rund fünf mal fünf
Meter stand ihr zur Verfügung. Und hinter den Gittern war dieser Raum noch
keineswegs zu Ende. Hier war .er nur eingeschränkt, für sie.
Hinter den Gittern lief ein schmaler Weg, dahinter wieder
stieg eine Front von kniehohen, buschigen Pflanzen auf. Frei und groß wuchs
zwischen dem luftigen Buschwerk ein riesiger, turmhoch ragender Schatten empor.
Er war so hoch, daß er selbst über die Höhe der Decke hinauswuchs, die über
Mornas Kopf wie ein vorspringendes Dach gezogen war. Am Rand des Gitterkäfigs
war der große Raum höher und nahm etwas Eckiges, Turmähnliches an.
Es war zu dunkel, um Einzelheiten wahrzunehmen, aber
Morna glaubte doch die riesige Pflanze zu erkennen, die wie ein
überdimensionaler Gummibaum ihr ganzes Blickfeld einnahm.
Schwere, breite Blätter hingen am baumstarken Stiel.
Morna hielt den Atem an, als sie erkannte, daß diese
Blätter sich lautlos in der Dunkelheit vor ihr bewegten, als wäre die
ungewöhnliche Pflanze mit einem merkwürdigen, unheimlichen Leben erfüllt.
●
Moris Daniel verfluchte den Tag, der schon mit einem Berg
von Arbeit anfing. Das alte war noch nicht erledigt und schon kam Neues hinzu.
Hank Forster stand vor der Tür und ließ sich anmelden. Er
hatte es nicht fertiggebracht, direkt vom Hotel aus die Nachricht telefonisch
durchzugeben. Man sah ihm an, daß er unter den Nachwirkungen eines Erlebnisses
stand, das er noch nicht verkraftet hatte.
„Jo-Anne ist verschwunden“, sagte er mit matter Stimme.
Seine Hände zitterten, als er sich damit über die Stirn fuhr, auf der der kalte
Schweiß stand. „Die Blumen sind verwelkt.“
Forster berichtete von seinem Experiment, von dem
Blumendiebstahl, von seinem Beisammensein mit Jo-Anne Hathry und seiner
Absicht, die geheimnisvollen Blumen, die seiner Meinung nach Doreens Tod
verursacht hatten, zu beobachten. Förster ging so weit, Daniel zu gestehen, daß
er in der letzten Nacht allerdings nicht ganz zurechnungsfähig gewesen sei.
„Ich hatte etwas Stoff intus“, gestand Forster, noch
immer sehr aufgeregt. „Ich weiß nicht mehr genau, was ich alles gesehen und
erlebt habe. Ich war benebelt, doch ich kann mich an eine Sache noch ganz gut
erinnern: um Mitternacht ging etwas vor, von dem Jo-Anne mir berichten wollte.
Die Blumen müssen sich zu diesem Zeitpunkt verändert und ihr tödliches Gift
ausgedunstet haben.“
Moris Daniel fand die Geschichte, die er zu hören bekam,
reichlich verworren, dennoch mußte er ihr auf den Grund gehen. Das war seine
Pflicht.
„Dann fahren Sie am besten mal mit mir. An Ort und Stelle
werde ich dann noch ein paar weitere Fragen an Sie haben.“
An Ort und Stelle in Forsters Zimmer bekam Daniel die
Dinge zu sehen, die eine Parallele zu dem Fall Doreen Shelter darstellten. Die
verwelkten, wie unter großer Hitze zerstörten Blumen, zwei mehlige Hügel auf
Tisch und Boden.
Daniel ließ sich die Story ein zweites Mal berichten. In
nichts wich Forster von seiner ersten Darstellung ab.
Daniel rief seine Männer herbei, und abermals wurden
Spuren gesichert, Aufnahmen gemacht, der gefundene Staub verpackt und
abgeschichtet, um eine Vergleichsanalyse zu haben. Daneben wurde eine Gruppe
von Polizisten durch das riesige Hotel geschickt, um jeden Winkel nach der
verschwundenen Jo-Anne Hathry zu durchsuchen.
Der Morgen verging wie im Flug. Und
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