0620 - Reise durch den Zeitstrom
aufzusuchen und ihn um diesen Gefallen zu bitten. Er wird keinen Verdacht schöpfen und auch keine Gelegenheit haben, uns zu verraten."
„Wieso können Sie dessen so sicher sein?" wollte Kol Mimo wissen.
„Weil der Mann kurz nach meinem Besuch sterben wird", antwortete Goshmo-Khan. „Ich erinnere mich noch genau des Vorfalles vom 7. August 3456. Der Mann betrat um 14 Uhr 33 einen ungesicherten Antigrav-Schacht, in dem gerade Reparaturarbeiten vorgenommen wurden. Er stürzte zwanzig Stockwerke in die Tiefe. Wenn ich ihn aufsuche, wird niemand etwas davon erfahren. Es kann also zu keinem Zeitparadoxon kommen."
„Der Vorschlag wäre zu überlegen", meinte Kol Mimo.
11.
Dr. Goshmo-Khan hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, als er um punkt 14 Uhr das Verwaltungsgebäude in der Nähe von Imperium-Alpha betrat. Er wußte, daß sich sein anderes Ich, also der Goshmo-Khan dieser Zeit, an diesem Tag in einem streng geheimen Laboratorium befand und Forschungsarbeiten durchführte. Obwohl demnach eine Konfrontation mit sich selbst ausgeschlossen war, wollte er nach Möglichkeit nicht gesehen werden.
Er fuhr in einem der Antigrav-Lifts in die zwanzigste Etage hinauf und läutete fünf Minuten später an Dr. George Haymons Tür.
Der Leiter der Überprüfungskommission blickte von seiner Arbeit auf und lächelte ihm zu, als er ihn erkannte.
„Na, das ist eine Überraschung, Goshmo-Khan", sagte er und kam ihm entgegen, um ihm die Hand zu schütteln. „Was führt Sie zu mir?"
„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, George", sagte Goshmo-Khan mit belegter Stimme. „Es geht um die Expertenkommission, die heute nachmittag die Nugas-Reaktoren der HYODPON inspizieren soll: Haben Sie die Liste der Teilnehmer schon weitergeleitet?"
Dr. Haymon deutete auf die Unterlagen auf seinem Tisch.
„Ich bin gerade dabei, die Liste zu erstellen. Ich muß mich damit beeilen, denn um viertel vor drei soll ich sie Dr. Waringer vorlegen."
„Da bin ich gerade noch rechtzeitig gekommen", sagte Goshmo-Khan erleichtert. Die Erleichterung war nur gespielt, denn er wußte sehr genau, daß Haymon die Liste noch nicht weitergegeben hatte und auf dem Weg zu Dr. Waringer verunglücken würde.
Goshmo-Khan fuhr fort: „Es sollen noch vier Wissenschaftler in die Kommission aufgenommen werden. Befehl von oben. Ich habe hier die Erkennungskarten. Stellen Sie mir für diese Leute die Passierscheine aus, damit ich sie sofort mitnehmen kann."
Haymon nahm die vier Erkennungskarten, die keine Lichtbilder enthielten, sondern nur die Gehirnwellendiagramme der Personen, und betrachtete sie stirnrunzelnd.
„Wenn ich Ihnen die Passierscheine aushändige, dann kann ich die Namen der Wissenschaftler nicht in die Liste eintragen", meinte er bedauernd. „Und wenn sie nicht auf der Liste auftauchen, kann Dr. Waringer die Identität der Personen nicht überprüfen lassen. Tut mir Leid, Goshmo-Khan, aber das kann ich nicht tun. Warum bestehen Sie eigentlich darauf, die Passierscheine an sich zu nehmen? Das ist unüblich und verstößt gegen die Vorschriften."
„Mir können Sie das nicht zum Vorwurf machen", erwiderte Goshmo-Khan „Ich befolge nur Waringers Anordnungen. Er hat die Teilnahme der vier Wissenschaftler genehmigt und auch darauf bestanden, den Verwaltungsweg zu umgehen. Sie können sich davon überzeugen, daß ich die Wahrheit sage. In ungefähr einer Stunde werden Sie Waringer gegenüberstehen. Fragen Sie ihn doch selbst."
„Das werde ich auch tun müssen", sagte Dr. Haymon. Er seufzte. „Na schön, dann werde ich die Passierscheine ausstellen. Waringer wird schon wissen, warum er das so angeordnet hat."
Fünf Minuten später hatte Goshmo-Khan die Passierscheine, die auf die Gehirnwellenmuster von Alaska Saedelaere, Mentro Kosum, Kol Mimo und von ihm selbst abgestimmt waren - nur die Namen waren falsch.
Es war 14 Uhr 28, als Goshmo-Khan das Büro von Dr. George Haymon verließ. Er wich dem stillgelegten Antigrav-Schacht aus und fuhr in einem entfernteren Lift ins Erdgeschoß. Dort wartete er in der Nähe des Ausgangs.
Er hatte plötzlich Gewissensbisse. Ein einziges Wort zu Dr.
Haymon hätte genügt, um ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren. Er hätte ihn nur vor dem stillgelegten Antigrav-Lift zu warnen brauchen... Aber dann wäre aller Wahrscheinlichkeit auch ihre Mission gescheitert. Nein, er hatte kein Recht, ihr ganzes Unternehmen aufs Spiel zu setzen, nur um einem einzelnen Menschen das Leben zu
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