0622 - Gefangen in den Höllenschlünden
Umarmung und schubste ihn aufs Bett zurück. »War nicht vorhin die Rede vom Frühstück ans Bett bringen lassen?«
»Vorspeise«, murmelte Zamorra. »Vorspeise ist immer wichtig.« Er schnappte nach Nicoles Hand und zog sie zu sich.
»Die heutige Jugend ist total vergnügungssüchtig«, ächzte Nicole. »Laß mir doch wenigstens ein paar Minuten Atempause.«
»Wozu?« schmunzelte er und küßte sie wieder. »Schließlich bist du selbst daran schuld.«
»Iiiich?« stieß sie entgeistert hervor.
»Sicher. Warum bist du auch so verteufelt hübsch und sexy?«
»Pah!« ächzte sie, rollte sich wieder auf den Bauch und stützte die Ellenbogen aufs Bett und das Kinn auf die Hände. »Ich hätte doch mit Eva fahren sollen.«
»Bist du sicher, daß dir das mehr Spaß gemacht hätte?«
»Weiß nicht.« Sie zwinkerte ihm zu. »Meinst du, ich sollte es mal ausprobieren? Ihren Avancen einfach mal nachgeben?«
»Hm«, machte Zamorra. Die blonde Eva machte sich mehr aus Frauen als aus Männern und hatte Nicole schon einige Male Interesse signalisiert. Aber Nicole hielt mehr von Zamorras Zärtlichkeiten und neigte nicht zu Experimenten mit anderen Männern - oder Frauen. So blieb Eva nichts anderes, als in anderen Revieren zu ›jagen‹.
Sie war, ähnlich wie der Jungdrache, plötzlich dagewesen. Einfach so.
Sie hatte draußen vor dem Tor zum Château Montagne gelegen. Fooly hatte sie dort bewußtlos vorgefunden. Trotz der Winterkälte trug sie nur ein Lederwams, einen kurzen ledernen Rock mit breitem Gürtel und daran in einer Metallscheide einen unterarmlangen Dolch, dazu fellgefütterte Stiefel und einen ledernen Armreif. In diesem luftigen Outfit machte sie den Eindruck, als wäre sie direkt einem Fantasyfilm entsprungen.
Sie besaß eine recht eigenartige Para-Fähigkeit - sie entzog magischen Gegenständen ebenso wie magischen Wesen deren Energie. Natürlich konnte sie diese Energie nicht auf Dauer in sich behalten, sondern mußte sie wieder abgeben, was bisweilen zu den merkwürdigsten Effekten führte.
Andererseits hatte sie mit dieser seltsamen Fähigkeit Zamorra und seine Freunde schon einige Male in prekäre Situationen gebracht, indem sie in entscheidenden Momenten der Auseinandersetzung mit Magiern oder Dämonen die magische Kraft in sich aufgenommen hatte. Bisher war es meist dahingehend gut gegangen, daß Eva diese Energie dann gegen den Feind einsetzen konnte.
Was aber, wenn dem einmal nicht so war?
Sie konnte ihre Fähigkeit nicht kontrollieren, und sie wollte es auch nicht lernen. Die Para-Gabe war ihr unheimlich, sie wollte möglichst nichts damit zu tun haben. Alles Übersinnliche war ihr suspekt.
Unter diesen Umständen konnte Zamorra sie nicht als Verstärkung seiner kleinen Crew ansehen, sondern allenfalls als gefährliches Risiko.
Hinzu kam, daß Eva über ihre Vergangenheit nichts wußte. Sie konnte sich nicht einmal an ihren Namen erinnern; kurz entschlossen hatte man sie mit ihrem Einverständnis eben Eva genannt. Sie sprach mehrere Sprachen fließend, wußte aber nicht woher und konnte sich nicht daran erinnern, jemals in den entsprechenden Ländern gewesen zu sein. Nur hin und wieder blitzte etwas in ihr auf - wenn sie erkannte, daß sie mit irgendeiner Sache in ihrer unbekannten Vergangenheit nicht zu tun gehabt hatte.
Aber diese Negativ-Auslese half natürlich niemandem weiter.
Zamorra hatte Polizei und Medien gebeten, nach Evas Herkunft zu fahnden. Eine Sache, die vielleicht viele Jahre dauern konnte und möglicherweise erfolglos blieb. Er hoffte nach wie vor, daß ihre Erinnerung von selbst zurückkam.
Die Fantasy-Kleidung, in der sie aufgetaucht war, lehnte sie ab. »Das ist nicht meine Welt«, hatte sie mehrfach behauptet - und die Sachen auch schon mehrfach weggeworfen. Seltsamerweise tauchten sie immer wieder an ihrem Körper auf, wenn es um magische Aktionen ging… ein weiteres Rätsel um das hübsche Mädchen mit dem langen Blondhaar.
Wegen ihrer Para-Fähigkeit war es vor etwa vier Wochen zu einem ordentlichen Streit gekommen. Sie hatten sich in Rio de Janeiro aufgehalten, um den Karneval zu genießen, und waren auf eine Gruppe von Totenerweckern gestoßen. Zamorra hatte das Risiko nicht eingehen wollen, von Evas Para-Fähigkeit gehandicapt zu werden, und hatte Eva fortgeschickt. Sie hatte sich natürlich nicht daran gehalten.
Zum Glück, wie sich später herausstellte, weil ausgerechnet ihre Anwesenheit und ihre Para-Begabung die Entscheidung in der Auseinandersetzung
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