0623 - Ein Tropfen Ewigkeit
ein Geräusch von sich, das wohl ein Lachen sein sollte, aber er redete auch.
»Ich will nicht so sein, Kara. Du hast zu mir Vertrauen gehabt, also werde ich auch in dich das Vertrauen setzen. Es ist abgemacht. Ich werde mich an deinem Kampf beteiligen. Ich werde dir einen Tropfen Ewigkeit geben.«
Bevor Kara sich bedanken konnte, schwebte etwas aus der Finsternis hervor. Zuerst sah es aus wie ein drittes Auge, doch der rote Punkt veränderte sich nicht. Er blieb in seiner Tropfenform. Von den Kräften des Spuks geleitet, schwebte er auf Kara zu, die ihren Kopf nicht zur Seite drehte.
Dann spürte sie die Berührung.
Ein Hauch nur, der über ihre Stirn hinwegglitt, noch einmal zurückkehrte und sich an einer bestimmten Stelle dicht unter dem Haaransatz festsetzte.
Kara sagte nichts. Sie wartete eine Weile, bevor sie die Hand hob und dorthin tastete, wo ein leichter Druck von außen her die Stirn berührte.
Mit der Fingerkuppe strich sie über die Perle oder den Tropfen hinweg. Das war der Tropfen Ewigkeit…
Kara hatte es nicht mehr für möglich gehalten, es noch zu schaffen, aber der Spuk war ihrem Wunsch letztendlich nachgekommen, weil er nachdenken konnte und wußte, daß Sinclairs Feinde oft genug auch seine waren.
»Reicht es dir?« drang die Stimme aus dem lichtlosen Dunkel.
»Ja«, gab sie flüsternd zurück, noch immer etwas benommen und unter dem Eindruck dieser für einen Dämon großen Tat stehend.
Der Spuk hatte sich von einem Tropfen getrennt, der zum Trank des Vergessens gehörte. Kara hatte es aufgegeben, ihn nach dem gesamten Trank zu fragen. Das hatte keinen Sinn mehr, der Spuk würde ihn freiwillig nicht herausrücken. Durch den Besitz des Tranks besaß er auch die Kontrolle über mächtige Reiche, Dimensionen und über gewisse Zeiten.
Kara fühlte noch einmal nach, um sich zu vergewissern. Der Tropfen besaß eine körperfreundliche Wärme und schien aus der Haut gestiegen zu sein. Er paßte zu ihr wie ein kostbarer Diamant. Seine Kraft würde auf sie übergehen und sie noch stärker machen als der Ort zwischen den Flammenden Steinen.
»Geh und rette John Sinclair!« hörte sie die grollende Stimme.
»Und denke immer daran, wer euch geholfen hat.«
Kara nickte. »Noch eine Frage habe ich.«
»Ich warte.«
»John Sinclair ist durch ein schlimmes Schicksal zu einem alten Mann geworden. Er hatte seine Jugend und Spannkraft verloren. Sollte es mir tatsächlich gelingen, ihn zu retten, würde er dann seine Jugend wieder zurückbekommen?«
»Jugend?«
»Ich weiß, daß er kein Jugendlicher mehr ist. Aber sein normales Alter. Würde das klappen?«
Der Spuk war ehrlich. »Ich weiß es nicht genau. Manche Wege können zu Irrläufern werden. Ich würde sagen, daß du da auf dein Glück vertrauen solltest.«
»Und wo finde ich Avalon? Ich kann mir vorstellen, daß du noch nie dort gewesen bist.«
»Du hast nur eine Frage stellen wollen.«
»Ja, mir fiel nur eine ein.«
Sie konnte den Spuk nicht sehen, Kara bemerkte nur, wie sich das Augenpaar bewegte. »Avalon ist ein Land hinter dem Regenbogen. So haben die Menschen gesprochen. Die einen sehen sie als Insel des Glücks an, für die anderen ist es ein Totenreich.«
»Und was ist es wirklich?«
»Möglicherweise beides.«
Mit dieser Antwort wollte sich Kara nicht zufrieden geben. Es würde schwer genug für sie sein, das geheimnisvolle Eiland zu finden. Es gab keinen Motor, der sie hinführte, keinen Wegweiser, sie mußte sich allein auf ihre Gedanken und ihre innere Kraft verlassen.
»Noch etwas?« erkundigte sich der Spuk.
»Nein, das ist alles.«
»Dann wünsche ich dir Glück…«
Die Schöne aus dem Totenreich konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Derartige Worte aus dem Mund des Spuks zu hören, das war schon ungewöhnlich.
Sie konnte dem Dämon nicht einmal einen Dank abstatten, denn der Spuk verschwand ohne vorherige Ankündigung. Zwar sah sie noch die beiden Augenovale, aber den Druck der feucht-klebrigen Schatten spürte sie nicht mehr. Es kam ihr vor, als würden Tücher von ihren Wangen gezogen werden. Plötzlich konnte sie sich wieder frei und normal bewegen. Die Schwärze vor ihr bewegte sich, und sie hatte den Eindruck, als würde sie tief in den Hintergrund dieser Dimension eintauchen.
Sie stand allein…
Verloren in der Unendlichkeit, ein menschliches Wesen eingekeilt zwischen den Zeiten.
Unbegreiflich…
Andere hätten den Verstand verloren, die Schöne aus dem Totenreich jedoch war es gewohnt, damit zu
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