0623 - Markt der Gehirne
etwas einzuwenden zu haben.
Das Gehirn lauschte ungläubig. Es konnte nicht begreifen, daß diese Wesen glücklich waren. Der Verdacht, daß diese Gehirne manipuliert wurden, verstärkte sich in ihm. Bestimmt gab es Drogen oder paramechanische Impulse, mit deren Hilfe man den Gefangenen in den Behältern ein Glücksgefühl übermitteln konnte.
Doch, so überlegte das Gehirn, stand dazu sein eigener Zustand im Widerspruch.
Hatte man vergessen, ihn zu manipulieren? Unterschied sich sein Gehirn so sehr von den anderen, daß es nicht für das Glücksgefühl präpariert werden konnte?
Nein! dachte das Gehirn entschieden. Die Antwort war wesentlich einfacher.
Die anderen Gehirne waren tatsächlich glücklich und zufrieden.
Das Gehirn faßte den kühnen Entschluß, an der Kommunikation teilzunehmen. Es mußte diesen Versuch wagen, denn es wollte endlich herausfinden, wo es sich befand und was in dieser Halle eigentlich geschah. Die Frage war nur, ob es sich an den Gesprächen beteiligen konnte? War sein Behälter an das Kommunikationssystem angeschlossen oder besaß er nur einen Empfangsteil?
Die Gedanken des Gehirns formten eine Frage.
Wo bin ich?
Das Gehirn wiederholte diese Frage mit immer größerer Anstrengung.
Die Antwort war Gelächter. Das Gehirn hatte den Eindruck, daß dieses Lachen von dem benachbarten Behälter ausging. Es war schwer zu entscheiden, woher es dieses Wissen bezog, aber es glaubte nicht, daß es sich täuschte.
Das Gehirn wollte sich zurückziehen, voller Furcht, daß man seine geheimsten Gedanken und Gefühle ergründen könnte. Alle anderen waren unvorstellbar fremd, sie würden wenig Verständnis für jemand haben, der völlig anders war als sie.
Plötzlich empfing es eine Antwort.
Sie war deutlich zu verstehen.
„Wir haben uns bereits gewundert, daß du so lange geschwiegen hast", dachte das Gehirn im Behälter nebenan.
„Natürlich wollten wir nicht in dich eindringen und Fragen stellen.
Jeder Neuling muß von sich aus mit einem Gespräch beginnen."
Trotz seiner Erleichterung, daß ihm die Kontaktaufnahme endlich gelungen war, zögerte das Gehirn.
Sollte es dieses Gespräch fortsetzen?
Es wußte nicht, wer diese anderen waren, was sie in dieser Zustandsform erreichen wollten und welcher Lebensform sie angehörten.
Doch der Wille, endlich die Wahrheit herauszufinden, behielt die Oberhand.
„Wie komme ich hierher?" fragte das Gehirn. „Was hat das alles zu bedeuten?"
Gelächter brandete auf. Es kam nicht nur vom Nachbargehirn, sondern von allen Regalen. Zehntausende von Gehirnen lachten über diese Fragen.
„Seid still!" bat der erste Gesprächspartner des Gehirns.
„Er scheint tatsächlich nicht zu wissen, wo er sich befindet. Wir dürfen ihn nicht verwirren."
„Er ist offensichtlich kein Bordin", fing das Gehirn einen anderen Gedanken auf.
„Was ist ein Bordin?" fragte das Gehirn.
Erneutes, ungläubiges Gelächter. Das Gehirn fühlte, wie Ärger in ihm wach wurde. Warum dieser Spott?
„Ich dachte mir bereits, daß du ein Ceynach bist", meldete sich sein Nachbar.
„Ein Ceynach?" Das Gehirn dachte nach. Es hörte diesen Begriff zum erstenmal. „Ich bin kein Ceynach."
„Vielleicht doch!" gab das andere Gehirn zurück. „Du mußt nachdenken. Ceynach bedeutet soviel wie entführtes Gehirn.
Könnte diese Bezeichnung nicht auf dich zutreffen?"
Alles war verwirrend. Den anderen erschien alles normal und selbstverständlich, aber das Gehirn mußte über jede Information nachdenken, um sie in einen logischen Zusammenhang mit den bisher ermittelten Daten zu bringen. Das war ungeheuer schwierig. Noch immer besaß das Gehirn keine klare Vorstellung von seiner Umgebung. Es mußte weitere Fragen stellen. Es überlegte, ob ihm dadurch ein Nachteil entstehen konnte. Die anderen hatten es als Ceynach eingestuft. Welche Folgen würde das haben?
„Wie heißt die Welt, auf der ich mich befinde?" fragte das Gehirn mutig. Seine Entschlossenheit wuchs.
Diesmal lachte niemand.
„Yaanzar", teilte ihm der Nachbar mit. „Du befindest dich auf Yaanzar."
Die Blicke des Gehirns richteten sich nach draußen. In diesem Augenblick fiel ein Schatten über das Land, die Sonne verschwand offenbar hinter einer Wolke. Die Hügel sahen jetzt drohend aus, der kleine Tempel verwandelte sich im Zwielicht in ein düsteres Bauwerk.
Yaanzar! wiederholte das Gehirn in Gedanken. Es hatte diesen Namen niemals zuvor gehört. Trotzdem durchforschte es gründlich seine Erinnerung.
„Yaanzar
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