0625 - Die Schrumpfkopf-Königin
einen dünnen elektrischen Warndraht.
Durch ein offenstehendes Tor waren sie auf das Grundstück gefahren und hatten in der Hofmitte angehalten. Die Gestalten, die sich auf dem Hof eingefunden hatten, wirkten so, als wären sie nur zufällig dort. Doch sie hatten ihre Augen überall.
Suko und Shao verließen den Wagen zugleich. Das Haus, in dem Takita Ogu sein Hauptquartier aufgebaut hatte, machte von außen einen nicht gerade einladenden Eindruck. Es war ein viereckiger Kasten, ein Ziegelsteinbau, ziemlich alt, aber nicht heruntergekommen. Es fehlte keine Scheibe.
Die Fenster ließen von außen her keinen Durchblick zu, in entgegengesetzte Richtung klappte das schon.
Vor dem Eingang wurden die beiden aufgehalten. Ein lächelnder Mann stellte sich ihnen in den Weg und erkundigte sich nach ihren Wünschen.
»Wir möchten Takita Ogu sprechen.«
Der Freundliche schaute Suko an. »Er empfängt gern Besucher. Sind Sie angemeldet, bitte?«
»Nein.«
»Dann werde ich wohl kaum etwas für Sie machen können. Es tut mir sehr leid.«
Suko und Shao wollten sich natürlich nicht abwimmeln lassen. Bevor der Inspektor seinen Dienstausweis zog, übernahm Shao die Fortführung des Gesprächs.
»Sagen Sie Mr. Ogu, daß die Strahlen der Sonnengöttin nicht immer im Dunklen Reich versickern werden.«
Der Mann behielt sein Lächeln nicht mehr bei. Es zerbrach plötzlich. Das Gesicht bekam etwas Maskenhaftes. Einen Kommentar auf diese Forderung gab er nicht und erklärte nur, daß er Takita Ogu die Nachricht übermitteln wollte.
Durch eine Seitentür verschwand der Mann. »Ist das der richtige Weg, um Einlaß zu finden?« fragte Suko.
Shao nickte. »Vor der Sonnengöttin haben viele Menschen Respekt, auch wenn sie im Dunklen Reich gefangengehalten wird. Man kennt Amaterasu sehr gut.«
»Das hoffe ich.«
Es dauerte nicht lange, als der gleiche Mann wieder erschien. Auf seinem Gesicht war das Lächeln zurückgekehrt. Er verbeugte sich und hielt die Tür offen.
»Man erwartet Sie mit großer Freude.«
»Danke sehr.«
Die beiden betraten einen großen und auch breiten Flur, in dessen Mitte eine ebenfalls breite Treppe in die Höhe führte.
Daß hier eine Kampfschule untergebracht sein sollte, konnten Suko und Shao kaum glauben, aber man mußte da vorsichtig sein.
Diese Räume konnten auch unter der Erde untergebracht worden sein.
»Darf ich vorgehen?«
»Bitte.«
Sie stiegen die Treppe hoch, erreichten eine Galerie, die durch Eisengeländer geschützt wurde und innerhalb des Gebäudes dessen Umriß nachvollzog.
Rechts und links zweigten verschiedene Türen ab. Das alles erinnerte Suko an die alten amerikanischen Gefängnisse, wo sich ein Mittelflur auftat, von dem aus die Zellentüren überwacht werden konnten.
Vor einer, die einen grasfarbenen Anstrich zeigte, blieb der Führer stehen.
Er klopfte, öffnete und nickte ihnen zu, nachdem er sich verbeugt hatte.
»Dürfen wir?« fragte Suko.
»Ja, der Meister ist bereit, Sie zu empfangen.«
Auf diesen Meister war Suko gespannt. Er rechnete damit, in ein mit Traditionen überladenes Zimmer zu gelangen und sah sich getäuscht, denn der Raum war ziemlich westlich eingerichtet, wenigstens was den Schreibtisch aus Stahlrohr und Holz anging.
Als Sitzgruppe standen Kissen zur Verfügung. Der Tisch dazwischen war sehr flach.
Takita Ogu hatte sich hinter seinem Schreibtisch erhoben. Er trug einen dunkelbraunen Anzug, ein weißes Hemd und eine sehr dezente Krawatte. Weder Kampfkleidung noch die alten japanischen Samurai-Anzüge waren zu sehen. Sie hätten auch nicht zu dem Mann mit der schmalen Goldrandbrille gepaßt. Altersmäßig war er schwer einzuschätzen, die Fünfzig hatte er schon erreicht.
»Seien Sie mir willkommen«, begrüßte er die beiden Besucher und bot ihnen Plätze an.
Zu dritt nahmen sie auf den Kissen Platz. Ogu ließ Tee reichen.
Auf sein lautes Händeklatschen hin schob sich eine der transparenten Innenwände des Raumes von außen her zur Seite, und ein junger Mann stellte den frisch gebrühten Tee nebst Geschirr ab.
Man trank, redete über allgemeine Dinge, was so üblich war, denn die Asiaten fielen bei ihren Besuchen nicht gleich mit der Tür ins Haus. Ogu behielt sein Lächeln bei, als er die erste gezielte Frage stellte.
»Was führt Scotland Yard in mein bescheidenes Büro?«
Suko lächelte zurück. »Ich habe mir gedacht, daß Sie wissen, wer ich bin.«
»Sie sind zwar Chinese, aber es gibt doch eine gewisse Verwandtschaft zwischen
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