063 - Die linke Hand des Satans
Schwindler halten - oder gar für einen von Fausts Feinden, der seinen Zustand ausnützte, um sein Vertrauen zu erschleichen.
Endlich kam Faust die Treppe herunter. Er lächelte verschmitzt. Faust trug einen prunkvollen vornehmen Hausanzug - und in diesem Moment erschien er mir wieder der alte zu sein.
„Laßt Euch umarmen, Speyer!" rief er aus, als sähen wir uns in diesem Moment zum erstenmal. „Das Wiedersehen mit Euch ist schön. Es macht mich glücklich, daß Ihr mich vor meinem Tode noch einmal aufsucht."
Da erschien auch wieder sein Famulus Christoph Wagner. Er brachte so viel an Eßbarem und Wein, daß er dreimal gehen mußte.
„Ihr seid in den besten Jahren, Dr. Faust", sage ich etwas unbehaglich. „Da könnt Ihr doch nur im Scherz an Euer Ende denken."
„Wie sehr Ihr Euch irrt, Speyer", meinte er ohne Traurigkeit. „Doch sollt Ihr deshalb nicht schwermütig werden.
Ich sehe meinem Abgang von dieser Welt gefaßt entgegen. Es gilt für mich nur noch, meine Angelegenheiten zu regeln, dann bin ich bereit für meinen Schwager Mephistopheles. Er wartet schon - dieser höllische Aasgeier. Aber ich mache es ihm nicht leicht."
Faust lachte.
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, deshalb wartete ich, bis er wieder das Wort ergriff.
„Wie gefällt Euch meine Helena, Speyer?"
Diese Frage traf mich unerwartet.
„Sie wird Euch wohl ein gutes Weib sein", sagte ich ausweichend.
„Nicht nur das - sie ist eine Schönheit", rief er aus. Dann beugte er sich vertraulich zu mir herunter und fuhr mit gesenkter Stimme fort: „Glaubt mir, ich kann mir ein Urteil darüber erlauben. Ich habe schon in vielen Betten geschlafen und sie mit Frauen jeden Standes geteilt. Wenn ich etwas besser beherrsche als die Magie, dann ist es die Liebe. Und deshalb könnt Ihr meinem Urteil glauben, Speyer, daß meine Helena die schönste Frau auf Erden ist. Wenn ich Paris wäre, hätte ich mich nicht anders als er entschieden. Ja, für meine schöne Helena lohnt sich ein trojanischer Krieg."
Mir schnürte es die Kehle zu. Er konnte doch nicht ernsthaft meinen, daß dieses Mädchen schön war. War sein Geist schon so verwirrt, daß er ihr wahres Aussehen nicht bemerkte?
„Ihr dürft Euch frei äußern, Speyer", ermunterte er mich. „Sagt mir ehrlich, was Ihr davon haltet, daß ich mich verheiratet habe. Nur heraus mit der Sprache!"
„Ja - was soll ich sagen..."
Ich wußte es tatsächlich nicht. Aber er wollte meine Meinung anscheinend ohnehin nicht hören, denn er fuhr sogleich fort: „Wenn Ihr Helena etwas drall findet, dann seid Ihr ein guter Beobachter, Speyer. Sie ist nämlich in anderen Umständen. Sie wird mir einen Sohn schenken. Justus soll er heißen. Aber darüber zu sprechen, ist noch verfrüht. Zuerst gilt es, meine Angelegenheiten ins reine zu bringen, damit die Nachwelt nichts zu reden hat. Ja, es war gar nicht leicht, Mephisto zu überlisten. Er wollte mir partout die Ehe nicht genehmigen. Aber ich wäre nicht Faust, hätte ich nicht doch ein Hintertürchen gefunden. Ich bin ihm immer um eine Nasenlänge voraus - in allen Dingen. Und das macht ihn so wütend, daß er Gift und Galle spuckt und Schwefel säuft vor Zorn über seine Niederlagen. Aber genug geschwatzt, mein lieber Freund. Morgen ist auch noch ein Tag. Hört Ihr, wie meine schöne Helena nach mir ruft und mir alle himmlischen Freuden verspricht? Und sie hält ihre Versprechen. Dann fühlt Euch in meinem Haus so wohl wie in Euerm eigenen, Speyer! Und gute Nacht!"
„Gute Nacht, Doktor!"
Es kostete mich Mühe, die Worte her^ vorzupressen. Ich sah ihm nach, bis er über die Treppe nach oben verschwunden war.
„Ihr habt das Essen noch nicht angerührt", hörte ich Christoph Wagner sagen.
„Ich könnte jetzt keinen Bissen herunterbringen."
„Dann erlaubt Ihr, daß ich Euch Euer Zimmer zeige? Es liegt neben dem meinen im Erdgeschoß." Ich folgte ihm. Er hielt mir eine Tür auf und stellte einen dreiflammigen Kerzenhalter auf einer Kommode ab. Ich nahm von meiner neuen Umgebung nichts wahr. Wenn er mich in den Stall geführt hätte, wäre es mir auch nicht aufgefallen.
„Wagner, sagt, Ihr seid doch der Famulus des Doktors und also sein engster Vertrauter...", begann ich.
Doch er vertraute mir anscheinend immer noch nicht genug und schnitt mir das Wort ab.
„So wie Dr. Faust schon sagte - morgen ist auch noch ein Tag."
In dieser Nacht tat ich kein Auge zu.
Am nächsten Tag bekam ich Faust nicht zu sehen - und am übernächsten auch
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