063 - Im Labyrinth des Ghuls
wollen Sie
von Taikona ?«
Der
asketische Mann blickte Bracziskowsky an.
Die beiden
ungleichen Männer hockten um die Feuerstelle. Zwischen ihnen stand ein
primitiver Tonkrug, der mit einer süßen, gegärten Flüssigkeit gefüllt war.
Bracziskowsky wußte nicht, was ihm angeboten wurde, aber da Karnhoff aus seinem
Becher trank, der aus einer Kokosnußschale gefertigt war, hielt er auch nicht
zurück.
Aber schon
nach wenigen Schlucken merkte er, daß es das Getränk in sich hatte. Der
Alkoholgehalt war beachtlich.
»Ich sagte es
bereits«, antwortete der Schriftsteller ruhig. »Ich weiß, daß es ein Geheimnis
um ihn gibt. Nun suche ich ihn .«
Johann
Karnhoff lachte wieder sein seltsames Lachen. »Sie meinen, das sei so einfach?
Sie kommen hierher und denken, Sie sprechen mit Taikona, und schon gibt er
Ihnen das Geheimnis preis? So einfach ist das nicht, junger Mann. Er ist der
Wächter .«
»Der Wächter?
Wovon?«
Karnhoff
spitzte die Lippen, daß sie sich in tausend kleine Fältchen legten. »Der
Wächter des Geheimnisses. Er kennt die Kräfte der Alten, und er macht sie sich
zunutze .« Karnhoffs Stimme wurde immer leiser, als
fürchte er, jemand könne sie belauschen. Seine Augen flackerten. »Sie brauchen
das Geheimnis ?«
»Brauchen ist
der falsche Ausdruck. Ich möchte damit ein Schicksal klären und darüber
schreiben. Das ist alles .«
Karnhoff
kicherte, als er das hörte. »Ich glaube, Sie hat mir der Himmel geschickt. Wir
wollen beide dasselbe, und doch jeder auf seine Weise. Ich will es besitzen,
das Geheimnis, das Taikona bewahrt. Es verspricht das ewige Leben. Verstehen
Sie ?«
Bracziskowsky
seufzte. »Leider nein. Es fällt mir schwer, Ihnen zu folgen .«
»Sie werden
es noch verstehen lernen, wenn Sie mehr über die Dinge erfahren, die diese
Insel birgt. Nur zwei Menschen wissen davon: Taikona und ich. Einmal ist es ihm
gelungen, mich zu überlisten. Aber ich bin nicht geschlagen. Meine Stunde wird
kommen .«
Mit seiner
knochigen Hand umspannte er den Kokosnußbecher. Sein Gesicht verzerrte sich.
Bracziskowsky erschrak. Haß und Abscheu, Ekel und Angst spiegelten sich in dem
ausgetrockneten Gesicht des Alten wider. »Ich werde ihn besiegen. Deshalb bin
ich hier .« Wie selbstvergessen kamen diese Worte über
seine spröden Lippen.
Bracziskowsky
hakte sofort nach. »Wie lange sind Sie schon hier ?«
»Sehr lange.
Schon immer.«
»Kamen Sie allein hierher ?«
Karnhoff
blickte auf. »Ich glaube… ja… ich weiß das nicht mehr so genau .«
Sobald man
auf die Vergangenheit zu sprechen kam, versagte sein Gedächtnis.
»Ich nannte
Sie vorhin Johann Karnhoff«, fuhr Janosz Bracziskowsky fort. »Sie sehen ihm
sehr ähnlich. Johann Karnhoff hat vor etwas mehr als zehn Jahren mit seinem
Sohn eine Expedition angetreten. Er wollte überall in der Welt nach den Spuren
einer vorsintflutlichen Rasse forschen, deren Existenz auch heute von einigen
namhaften Wissenschaftlern nicht mehr ganz bestritten wird. Es gab Stimmen, die
behaupteten, daß es lange Zeit vor dem Auftreten des Menschen schon
intelligentes Leben auf der Erde gab. Leben allerdings, das sich aller
Wahrscheinlichkeit nach auf einem anderen Stern entwickelt hat. Karnhoff hatte
interessantes Beweismaterial zusammengetragen. Den entscheidenden Schlüssel für
seine unglaublichen Thesen glaubte er gerade in Südamerika und auf der
Inselwelt das pazifischen Ozeans zu finden. Aber er kehrte von seiner
Zweimann-Expedition nicht mehr zurück. Nach zwei Jahren traf ich durch Zufall
seinen Sohn Franz Karnhoff wieder. Der Mann war verändert und tat so, als kenne
er mich nicht mehr. Daraufhin nahm ich mir vor, zum ständigen, heimlichen
Begleiter des jungen Karnhoff zu werden. Wie ein Schatten klebte ich seitdem an
Franz Karnhoff, bis es vor einer Woche, zu dem entscheidenden Zusammenstoß kam .«
Der Asket
füllte seinen Becher neu.
»Sie erinnern
sich an keinen Begleiter ?« ließ Janosz Bracziskowsky
nicht nach.
Johann
Karnhoff schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, Bracziskowsky .«
»Sie hatten
Ihren Sohn dabei, Karnhoff !«
Der
Angesprochene reagierte nicht. »Ich werde es mir überlegen«, sagte er, und es
paßte überhaupt nicht zu der Bemerkung Bracziskowskys. »Wir können uns
gegenseitig nützlich sein. Ich werde Sie zu Taikona führen. Ich bin gespannt
auf das Gesicht, das er machen wird, wenn so unerwartet ein Fremder aufkreuzt .«
»Sie bringen
mich sofort zu ihm ?«
»Nein.
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