0633 - Zoraks Höllenschwur
Zarkahr sie aus irgendeinem Grund belogen hatte? Vielleicht, um ihr den Mut zu nehmen? Um sie davon abzuhalten, in die Freiheit zu flüchten, weil es dort keinen Schutz für sie geben konnte ohne ihren Elter Zorak?
Aber dann stellte sich die Frage, was er sich davon versprach. Er mußte doch damit rechnen, daß sie die Wahrheit eines Tages herausfand. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht in ein paar Jahren, vielleicht in einem Jahrhundert oder Jahrtausend. Glaubte er, dann wäre ihr Zorn über diese Lüge nicht mehr groß genug, daß sie sich gegen ihn stellen könnte?
Prüfe es nach, wenn du kannst.
Ganz gleich, was sich Zarkahr dabei dachte. Sie mußte herausfinden, ob er sie belogen hatte. Jetzt, da sie sich wieder frei bewegen konnte, hatte sie die Möglichkeit dazu.
Doch zunächst mußte sie dafür sorgen, daß Zarkahr sie nicht wieder einkassierte. Wenn er zurückkehrte, würde er merken, daß sie fort war. Auch wenn er den Weg nicht entdeckte, den sie benutzt hatte, würde er nach ihr suchen. Mit Mitteln, über die sie nur wenig wußte. Denn durch ihre lange Zeit bei den Menschen hatte sie nicht alle Feinheiten der Corr-Magie erlernen können. Die spätere Zeit, die sie dann wieder bei ihrem Elter Zorak zugebracht hatte, hatte nicht ausgereicht, all das nachzuholen, was ihr entgangen war.
Sie besaß die Fähigkeiten wohl, aber sie war zu wenig darin geschult, sie einzusetzen. Es war, als habe sie zwar einen Haufen Bücher, könne diese aber nicht lesen, sondern höchstens die Bilder darin betrachten und müsse sich daraus die Handlung zusammenreimen.
T'Carra setzte ihre Flucht aus der Hölle fort.
***
Langsam ging Nicole auf den Cadillac zu, zog die Tür auf und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Der Blaster im Hosenbund drückte; Nicole zog ihn hervor und ließ ihn im Handschuhfach verschwinden.
»Alles in Ordnung«, sagte sie, wandte den Kopf und lächelte Nadine aufmunternd zu. »Keine Gefahr da drinnen.«
»Das glaubst du doch selbst nicht!« protestierte Nadine Lafitte. »Ich sehe dir doch an, daß etwas passiert ist. Was ist mit den Kindern?«
»Die sind in bester Ordnung.«
»Aber?« drängte Nadine.
»Nichts aber. Sie waren nicht in Gefahr. Das Haus ist doch von weißmagischen Symbolen ringsum geschützt. Wie soll da ein Dämon hineingelangen? Ich habe nur im ersten Moment nicht daran gedacht. Ist hier draußen noch etwas vorgefallen?«
Nadine rutschte auf dem Fahrersitz herum. »Nicole! Lenk nicht ab! Es ist etwas passiert! Das rieche ich!«
»Na schön, da war etwas. Eine Halluzination. Frag Lord Zwerg. Der erzählt dir einen ganzen Roman dazu. Aber er wird dir ebenfalls erzählen, daß nichts passiert ist.«
Sie lehnte sich zurück und schloß die Augen.
Was war das gewesen, was sich im Haus befunden hatte? Es hatte existiert, denn es hatte Nicole berührt. Aber Schwarze Magie konnte nicht eindringen! Es sei denn, die schützenden Symbole waren beschädigt, verwischt oder gelöscht worden.
Aber diese Möglichkeit hielt sie für unwahrscheinlich.
Was war es dann gewesen? Rhett hatte von einem Bild gesprochen. Sollte T'Carra nur ein Bild von sich hierher projiziert haben? Aber warum hatte sie das getan? Und warum zuvor der Angriff auf offener Straße?
Der war etwas corr-untypisch gewesen. Nicole entsann sich, daß die Corr gern mit Schwerkraftfeldern arbeiteten. Damit konnte man Menschen fesseln oder sogar töten. Unter einer vielfachen Schwerkraft wurden sie von ihrem eigenen Körper erdrückt. Wenn jemand nicht mehr 60 Kilo, sondern von einer Sekunde zur anderen deren 600 wog, brachen auch stabile Knochen. Die Körperkraft reichte dann nicht einmal mehr zum Atmen. Höchstens extrem durchtrainierte Astronauten, die an gewaltige Beschleunigungs- und Beharrungskräfte beim Raketenstart gewohnt waren, hatten dann vielleicht noch den Hauch einer Chance.
Hier aber war die Schwerkraft nicht verändert worden. Es hatte statt dessen eine Art Blitzschlag gegeben. Und ein schattenhaftes Wesen, das dann ebenso blitzschnell im Nichts verschwunden war wie das ›T'Carra-Bild‹ im Haus…
Nicole schüttelte langsam den Kopf. Hier stimmte etwas nicht. Hinzu kam, daß erst gestern Asmodis versucht hatte, Zamorra wieder einmal auf T'Carra aufmerksam zu machen. War dies hier nur ein Trick, seine Aufmerksamkeit noch stärker zu erregen? Handelte es sich bei diesem Vorfall vielleicht sogar um die Nachricht, die er hinterlassen wollte?
»Nein«, murmelte Nicole und öffnete die Augen wieder.
Weitere Kostenlose Bücher