0635 - Das Grab der Sinclairs
Sarg hockend zusammen. Er schlief im Sitzen ein, und von seiner schaurigen Umgebung sah er nichts mehr.
Wie ein Toter wirkte er innerhalb der pechschwarzen Gruft.
Erschöpft, ausgelaugt, aber noch nicht am Ende, Bill konnte kämpfen, das hatte er bewiesen, und er würde nicht aufgeben, solange es ihm noch gelang, Luft zu holen.
Wieviel Zeit vergangen war, wußte er nicht. Irgendwann schreckte er aus dem tiefen Schlaf hoch, riß die Augen auf, kippte beinahe von seinem Platz und war noch so überrascht und tief im Schlaf, daß er nicht wußte, wo er sich befand.
Er tastete blind durch die Finsternis, seine Hände griffen ins Leere, und er wunderte sich darüber, nicht den warmen Körper seiner Frau Sheila neben sich zu spüren.
Erst Sekunden später fiel ihm ein, wo er sich befand. Da arbeitete sein Gehirn wieder normal. Plötzlich schlug die Erinnerung über ihm zusammen, er nahm den Gestank der Verwesung wahr und mußte würgen.
»Mein Gott, ich bin noch immer hier!«
Es klang wie ein Stoßseufzer und ein gleichzeitiges Gebet. Er wollte sich erheben, doch da gab es die zahlreichen unsichtbaren Klammern, die ihn festhielten.
So blieb dem Reporter nichts weiter übrig, als zunächst einmal sitzen zu bleiben.
Zudem hatte er leichte Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht bekommen. Er schwankte etwas und wäre fast von seinem Platz gerutscht. Ein dumpfes Gefühl und gleichzeitige Schmerzen breiteten sich in seinem Kopf aus. Irgendwo hatte er Schwierigkeiten, seinen Denkapparat wieder in Gang zu bringen.
Er preßte die Hände gegen die Wangen, schloß die Augen, öffnete sie wieder und fühlte sich leicht schabend oder wie in Watte gepackt, mit der er gleichzeitig durch die Finsternis der Gruft trieb, als sollte er hinausgeweht werden.
Aber Bill blieb auf seinem Sarg hocken. Sein Zustand besaß etwas Zombiehaftes. Er war derjenige, der lebendig in dieser verfluchten Gruft steckte, der sich dagegen nicht sträuben konnte, und dieses Wissen kehrte langsam bei ihm zurück.
Im Mund spürte er einen Geschmack, der sich aus Moder, Gestank und Metall zusammensetzte. Irgendwo undefinierbar, leider vorhanden. Die Kehle saß zu, Speichel war nicht mehr vorhanden.
Bill hatte die Augen geöffnet, er stierte nach vorn, ohne irgend etwas erkennen zu können. Weder den Grund noch die Wand, nur die verdammte Schwärze.
Allmählich arbeitete sein Gehirn wieder, obwohl die Luft in der Gruft noch schlechter geworden war.
Er warf einen Blick auf die Uhr, wo die Ziffern grünlich schimmerten. Bill erschrak, schaute noch einmal hin, um zu sehen, ob er keiner Täuschung erlegen war.
Leider stimmte es. Er hatte Stunden geschlafen. Mindestens vier, wenn nicht länger.
Dennoch fühlte er sich kaputt. Der Rücken tat ihm weh, auch schmerzten die Bißwunden der Nager. Und noch immer war niemand erschienen, um ihn aus seinem verdammten Gefängnis zu befreien.
Wieder fielen ihm die beiden Worte ein, die Krooger mit kalter Stimme gesagt hatte.
Lebendig begraben!
Es stimmte, er hatte nicht gelogen. Bill Conolly war in diesem verdammten Grab lebendig begraben, und irgendwann einmal würde auch die Luft verbraucht sein. Da blieb ihm nur die Möglichkeit, elendig zu ersticken.
Davor hatte er Angst!
Nicht so sehr vor dem Tod, sondern vor dem langen Leidensweg, an dessen Ende das endgültige Aus für ihn stand. Vorbei, elendig eingehen.
Bill schüttelte den Kopf. Dabei merkte er die Stiche, die durch den Schädel zuckten. Auf seinem Rücken hatte sich die kalte Haut festgesetzt. Er stierte ins Leere, in die pechschwarze Finsternis, er hörte sich stöhnend atmen und dachte daran, daß über ihm längst der helle Tag angebrochen war.
Ratten hatten sich in der Schlafenszeit nicht blicken lassen. Aber sie würden wiederkommen, das glaubte er fest. Diese verfluchten Tiere warteten ab, bis ihr Opfer so schwach war, daß es sich nicht mehr richtig wehren konnte. Sie besaßen ein bestimmtes Gespür dafür, dann würden sie radikal über ihn herfallen und ihn zerbeißen.
Wie ging es weiter?
Es gab nur einen Weg. Der führte stur geradeaus, bis hinein in den Tod.
Als Bill sich damit beschäftigte, ballte er seine Hände zu Fäusten.
Als er sich erhob, packte ihn der Schwindel. Es dauerte eine Weile, bis er die Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht in den Griff bekommen hatte und wieder normal stehen konnte.
So wartete er ab.
Schwankend, nach vorn schauend und doch nichts erkennend. Es war einfach zu schlimm. Die Umgebung und das Wissen
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