0636 - Der dunkle Lord
wissen, was ich sehe. Taten entscheiden, nicht Worte.«
»Hat Zamorra nicht schon genug getan, indem er dich von Gash'Ronn befreite? Und wir suchen immer noch nach deiner Welt, versuchen immer noch einen Zugang zu finden. Doch das können wir nicht ohne dich, ohne deine Mithilfe…«
Sie unterbrach sich.
»Darüber will und werde ich jetzt nicht diskutieren, Lamyron. Ich habe ein anderes, größeres Problem zu lösen.«
»Ich weiß«, sagte Lamyron. »Ich habe die Botschaft des Bösen vernommen. Ich war bereits wach, als das Zerrbild sprach. Doch du hast ein Problem. Zamorra wird nicht zu dem Dunklen Lord gehen können. Nicht jetzt, nicht in den nächsten Stunden.«
Nicole nickte.
»Zamorra kennt auch nicht seinen Aufenthaltsort. Du kennst ihn ebensowenig.«
»Aber du müßtest ihn kennen«, stieß Nicole hervor. »Du warst doch dort. Du hast Teri zu ihm gebracht! Du weißt, wo wir den Bastard finden können.«
»Ich weiß es«, bestätigte Lamyron kühl.
»Aber du wirst es mir nicht verraten, nicht wahr? Du stehst immer noch unter seinem Bann. Du arbeitest für ihn.«
»Ich war sein Sklave, und ich werde wieder sein Sklave sein«, sagte Lamyron. »Nur jetzt bin ich es nicht, und vielleicht werde ich es auch später nicht immer sein. Ich weiß es… noch… nicht sicher… zeigen meine Flügel es dir nicht?«
Er spreizte die Schwingen.
Aber Nicole konnte kein Bild darin sehen.
»Der Dunkle Lord stirbt«, sagte Lamyron. »Die Goldhaarige sah es. Er ist bereits tot. Der Schock des Zusammenstoßes mit dem fahrenden Gerät tötete ihn, als er in mir war, und ich überlebte. Sonst wäre ich jetzt tot, und er könnte noch leben.«
»Er ist nicht tot«, stieß Nicole hervor.
»Er ist nicht tot«, bestätigte Lamyron.
»Was redest du dann für einen Unsinn? Entweder er ist tot, oder er ist es nicht.«
»Er ist beides. Das ist seine Magie. Sie erhält ihn am Leben, obgleich er bereits tot ist.«
»Die Paradox-Magie?«
Lamyron ging nicht darauf ein.
»Dir liegt sehr viel an der Unversehrtheit der Goldhaarigen, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Nicole bitter. »Und während wir hier stehen und dummes Zeug schwätzen, verrinnt die Zeit. Der Lord verstümmelt sie weiter, und wir können nichts tun. Zeige mir, wo er sich befindet, damit ich ihn töten kann…«
»Du kannst einen Toten nicht mehr töten«, sagte Lamyron. »Deshalb werde ich dir den Weg auch nicht weisen.«
Nicole legte die Hand an die Waffe.
»Ich werde dich zwingen«, drohte sie. »Hiermit, oder indem ich dir das Zauberschwert Gwaiyur um die Ohren haue, bist du blau und grün bist!«
»Ich werde selbst gehen«, sagte Lamyron.
Er wandte sich dem Wagen zu.
Nicole griff zu, riß ihn am Arm zurück.
»Das ist unsere Angelegenheit, nicht deine«, fuhr sie ihn an. »Zeige mir nur, wo ich den Lord finde. Alles andere…«
»Es ist irrelevant«, sagte Lamyron. »Ich habe es begonnen, und ich bringe es zu Ende. Wir werden uns Wiedersehen, aber ich weiß nicht, wann, und ich weiß auch nicht, wer ich dann sein werde. Sicher nicht der, der ich jetzt bin.«
»Was sollen die Rätselsprüche? Das delphische Orakel und die Sibylle von Cumae sind nichts gegen dich…«
»Halte mich nicht auf. Du würdest es bereuen«, sagte der Geflügelte drohend.
Raffael war rascher als er am Wagen. Er griff nach dem Schwert, nahm es an sich und wich sofort ein paar Schritte zurück.
»Sie sollten sich an das halten, was Mademoiselle Duval sagt«, erklärte er. »Sonst müssen Sie mit einer Menge Ärger rechnen. Dieses Spiel wird nach unseren Regeln…«
Aus Lamyrons Augen loderte das Feuer der Zeit.
***
»Die Viertelstunde ist um«, erklärte der Dunkle Lord. In den Augen seines Puppengesichts glitzerte Weltraumkälte.
»Du wirst deinen Freunden einen weiteren Finger überbringen…«
Teri schloß verzweifelt die Augen.
Sie kam nicht gegen den Zwang an. Sie mußte gehorchen…
***
Das Feuer der Zeit!
Es war eine sehr seltsame Fähigkeit, über die Lamyron verfügte. Es war das seltsame Feuer, das in seinen Augen brannte. Wie es möglich war, wie es funktionierte, ließ sich nicht erklären. Aber Lamyron konnte mit seinen Augen dieses Feuer auf jemanden werfen und für dreizehn Sekunden, dreizehn Minuten oder dreizehn Stunden ungeschehen machen, was diese Person eben getan oder erlebt hatte.
Jetzt warf er es auf Raffael Bois!
Und es wurde ungeschehen gemacht, was Raffael in den letzten dreizehn Sekunden getan hatte!
»Was sollen die Rätselsprüche?«
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